Die neuen Sat.1-Nachrichten: Blinddarm und Tibet
N24-Mann Peter Limbourg wills wissen: Mit Sat.1-Nachrichten zur Primetime sendet er mit anderen Programmen um die Wette. Ein Nachrichtenvergleich.
Montag abends, 20.00 Uhr, "Tagesschau"-Zeit: Peter Limbourg steigt mit den "Sat.1-Nachrichten" in den Konkurrenzkampf mit der ARD ein. Er geht es locker an. "Guten Abend, meine Damen und Herren. Seien Sie heilfroh, wenn sie keine Aktien besitzen", begrüßt er die Zuschauer und liefert damit auch schon seinen charismatischen Höhepunkt. Aber es geht ja auch um Nachrichten. Aufmacher ist, wie bei der Konkurrenz, Finanzmarktkrise und Börsencrash. Zweites Thema: Kanzlerin Merkel in Jerusalem, von der Konkurrenz ähnlich platziert, hier garniert mit einer Umfrage zum Verantwortungsgefühl der Deutschen gegenüber Israel (hält sich in Grenzen) und einem Statement von Merkel selbst. Kurz die schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen in Hamburg und die Unruhen im Kosovo, dann kommt der Schnelldurchlauf. Relativ befremdlich, dass die Ausschreitungen in Tibet hier ihren Platz finden, zusammen mit Kurt Beck und einer Studie einer Elternzeitschrift über die Höhe von Kita-Gebühren in Deutschland.
Nun ja, ein Themen-Fauxpas darf schon mal drin sein. "RTL aktuell" verbucht den mit einem Einzelschicksalsbericht über einen jungen Mann, der im Krankenhaus verstarb, weil seine Blinddarmentzündung nicht behandelt wurde - inklusive Aufnahmen der weinenden Eltern im heimischen Wohnzimmer. Die ZDF-"heute"-Nachrichten rutschen thematisch nicht so sehr aus, verzichten aber auch nicht auf einen Bericht über die Scheidung von Paul McCartney und Heather Mills. Das tut allein die "Tagesschau" - aber dafür hat auch allein die "Tagesschau" eine Meldung über die Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises. Der ging nämlich an einen NDR-Redakteur.
Insgesamt hinterlassen die Sat.1-Nachrichten einen ambitionierten Eindruck, der Informationsgehalt ist in Ordnung und nicht geringer als der bei der privaten Konkurrenz "RTL aktuell". An die umfassende Berichterstattung von "Tagesschau" oder "heute" kommt Sat.1 aber nicht heran und trotz Bemühungen, Politikerstatements und Korrespondentengesprächen auch nicht an deren Fähigkeit, Nachrichten zu erklären und einzuordnen.
Und Anchorman Limbourg? Nun, die Rolle des Charmebolzens ist nicht so ganz seine Sache. Zum Schmunzeln brachte er einen dennoch spätestens, als er mit ernster Miene von der McCartney-Scheidung überleitete und schon mal den 20.15-Film "Pretty Woman" ankündigte. Auch eine Art von Info-Offensive.
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