■ Die neue Immigrationspolitik des französischen Innenministers: Superflic Chevènement
Jean-Pierre Chevènement schlägt nach allen Seiten. Jeden zweiten papierlosen Immigranten will der Innenminister aus Frankreich rausschmeißen. Linke, die seine Einwanderungspolitik kritisieren, beschimpft er als „englische Trotzkisten“. Katholische Bischöfe, die in ihren Kirchen afrikanische Besetzer tolerieren, verweist er an das Jüngste Gericht, wo sich sich zu verantworten hätten, wenn die Front National eines Tages in die Regierung käme. Und anderen Regierungsmitgliedern, die seine Knüppelposition nicht teilen, ruft er ein drohendes „Der Premierminister steht hinter mir“ entgegen.
Doch täglich bekommt Jean-Pierre Chevènement mehr Feinde. Und immer mehr von ihnen kommen aus den Reihen, die vor einem knappen Jahr die rot- rosa-grüne Regierung gewählt haben, der er als einziger Vertreter der sozialistennahen „Bürgerbewegung“ angehört. Zur Erinnerung: Jener unverhoffte Wahlsieg kam zustande, nachdem wenige Monate zuvor Hunderttausende auf Frankreichs Straßen gegen die Immigrationspolitik der Konservativen protestiert hatten. In Anerkennung jener sozialen Bewegung, die ihnen an die Macht verholfen hatte, bestand der erste spektakuläre Akt der neuen Regierung denn auch in einem Dekret, das die „papierlosen Einwanderer“ in Frankreich dazu aufforderte, ihre Regularisierung zu beantragen. Das Leitmotiv für die Regularisierung sollte die Integrationsbereitschaft sein, erklärte Chevènement damals.
Inzwischen hat sich bewahrheitet, was damals nur wenige Schwarzmaler befürchteten: Das Dekret war eine Falle. Im Gegensatz zu seinen konservativen Vorgängern verfügt Chevènement jetzt über eine Papierlosen-Datei mit 150.000 Namen, Adressen und Arbeitsplätzen von gutgläubigen Immigranten, die mit ihrem Antrag ihre Bereitschaft zur Integration in Frankreich gezeigt haben. Nur jeder zweite Antragsteller ist bislang regularisiert worden, obwohl fast alle seit Jahren in Frankreich leben und arbeiten. Alle anderen müssen Frankreich verlassen oder untertauchen.
Mit den geplanten zigtausendfachen Abschiebungen, mit der tendenziösen Vermengung der Themen „Immigration“ und „Sicherheit“, mit der kollektiven Beschimpfung seiner Kritiker und mit der Unterstellung, man könne Immigrationsbewegungen mit Polizeimethoden regeln, hat Chevènement selbst seine konservativen Vorgänger Debré und Pasqua übertroffen. Er ist jetzt Frankreichs Superflic. Dorothea Hahn
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