: Die mit dem Mund zum Hund beatmen
Damit der Hund nicht vor die Hunde geht, fand zum dritten Mal der Erste-Hilfe-Kurs für Tiere statt. Von der Zeckenbehandlung bis zur Herzdruckmassage bietet Stephan Schubert alles, was hilfsbedürftige Vierbeiner brauchen ■ Von Julia Beeck
Mac und Showa sind komplett genervt. Während Mac versucht, sich möglichst unbeobachtet gen Ausgang zu robben, liegt Showa auf einem bunten Ikea Flickenteppich und muß eine Mund-Nasen- Schnauze-Beatmung über sich ergehen lassen. Die beiden Schäferhunde sind die sichtlich angeödeten Assistenten bei dem drei stündigem Seminar „Erste Hilfe am Hund“, das am Freitag abend in Schönholz stattgefunden hat.
Ort des Geschehens ist ein nüchterner, kahler Raum im Obergeschoß des Hotels „Solitaire“. In der Mitte steht neben einem Overhead-Projektor, Veranstalter und Herrchen, Stephan Schubert. Gleich einem Zauberkünstler präsentiert er die unerläßlichen Rettungsutensilien für den Hund. Er wedelt mit Mullbinden, preist die multifunktinale 20-ml-Spritze und wickelt Showa in eine gold-silberne Rettungsdecke.
Die Stimmung ist gut. Sie wird angeheizt durch flotte Sprüche und Anekdoten von Herrchen Schubert. „Eine blaue Zunge zeigt, daß der Hund nicht mehr richtig atmen kann. Eine Dame kam einmal völlig aufgeregt zu mir. Die Zunge ihres Hundes war komplett blau angelaufen. Aber es war ein ChowChow.“ Ein Lacher geht durch die Reihen der Anwesenden. Stephan Schubert lüftet auch das Geheimniss, ob Zecken rechts oder links herauszudrehen ist. „Das ist schlicht egal, der kleine Blutsauger hat doch kein Gewinde.“
Seit drei Jahren gibt Schubert diese recht außergewöhnlichen Rettungskurse. Hauptberuflich ist Doc Dog Ausbildungsreferent für Erste Hilfe am Menschen und Rettungssanitäter beim Malteser Hilfswerk. Aber in seiner Freizeit ist er völlig auf den Hund gekommen. Schätzungsweise 3.000 Interessenten hat er inzwischen in Erste-Hilfe-Maßnahmen quer durch Deutschland gegen Knochenbrüche, Verbrennungen, Herzstillstand oder Stromschlag eingewiesen. „Soviel ich weiß, gab es mittlerweile fünf erfolgreiche Wiederbelebungen, auch einer Katze konnte mit Herzdruckmassage und Beatmung geholfen werden“, so Schubert.
Die anscheinend artenübergreifende Wiederbelebung zeigt er dann gleich am lebenden Objekt. Nun ist Mac an der Reihe. Er liegt auf dem Teppich und muß sich tot stellen. Gar nicht einfach, einen recht lebendigen Hund von der nötigen Totenstarre zu überzeugen. Mac brummelt, hebt den Kopf, wedelt und steht dann auf. Eine gelungene Wiederbelebung. Weiter geht es mit Vergiftungen, epileptischen Anfällen und Geburtshilfe. Am Ende der Veranstaltung erzählt eine Teilnehmerin: „Letzten Sommer verschluckte mein Iwan einen Flummi. Gott sei Dank, hüpfte der nach einigen Minuten von selbst wieder heraus. Jetzt könnte ich Iwan aber sofort professionel helfen.“
Auf die Frage, ob ihr die Mund- Schnauze-Beatmung nicht eklig sei, antwortet eine andere Teilnehmerin „Nee, überhaupt nicht, das würde ich auch bei fremden Hunden machen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen