■ Die katholische Kirche auf dem Weg ins Abseits: Diktat aus Rom
Der Machtkampf dürfte entschieden sein: Die Hardliner haben sich durchgesetzt. Mit vereinten Kräften ist es den militanten „Lebensschützern“, vereint mit den konservativen Bischofs-Hardlinern Johannes Dyba und Joachim Meisner, gelungen, die mühsam erreichte Einheit der katholischen Bischofskonferenz in Sachen Schwangerenkonfliktberatung zu sprengen. Der Papst wird den Bischöfen demnächst brieflich eine erneute Belehrung ins Haus schicken, dass die „lieben Mitbrüder“ einfach nicht in der Lage sind, ein eindeutiges Zeugnis für das ungeborene Leben zu geben.
Die Bischofsmehrheit hatte eine in ihren Augen clevere, wenn auch höchst seltsame „Scheinlösung“ gefunden: Die katholische Kirche bleibt weiterhin in der gesetzlichen Schwangerenberatung, doch der Beratungsschein wird mit einem Zusatz versehen, dass er nicht für eine straffreie Abtreibung verwendet werden kann. Das ist nun vom Tisch. Denn in den Augen des Papstes beteiligt sich die Kirche auf diese Weise immer noch am „Kindesmord“. So stehen die deutschen Katholiken erneut vor einer Zerreißprobe.
Es geht um ihre Glaubwürdigkeit in einer Gesellschaft, für die die katholische Kirche mehr und mehr zu einem folkloristischen Randphänomen wird. Die deutschen Katholiken, erst recht die Bischöfe, werden in Rom behandelt wie kleine, unmündige Kinder. Blamiert steht vor allem der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Karl Lehmann, da. Denn der hat beharrlich für den Kompromiss gekämpft. Der Kölner Meisner war es, der hinter dem Rücken des ungeliebten, weil zu liberalen Lehmann ein Gespräch mit dem Papst in Rom einfädelte.
Eine hartnäckig rechthaberische Minderheit tyrannisiert eine Mehrheit der Katholiken (und der Bischöfe), die genau weiß, dass ein Ausstieg aus der Schwangerenkonfliktberatung jene Frauen im Stich ließe, die sich mit ihrer Entscheidung schwer tun und wirklich um Rat fragen – abgesehen davon, dass durch die Beratung nachweislich ungeborenes Leben gerettet wird. Eine rein kirchliche Beratung, außerhalb des gesetzlichen Rahmens, aber wäre weithin wirkungslos.
Jetzt sind die katholischen Gewissen gefragt. Die Mehrheit darf sich dem fatalen römischen Moral- und Machtdiktat nicht beugen. Sie hat die besseren Argumente. Hartmut Meesmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen