Die höhere Tochter als Präsidentengattin

■ Die neue First Lady heißt Christina Rau. Sie bringt alles für ihre künftige Aufgabe mit: Einen Ex-Bundespräsidenten als Großvater, Erziehung im Ausland – und die gebotene Zurückhaltung

Bei der Wahl ihres Mannes saß sie neben Doris Schröder-Köpf auf der Tribüne. An der Seite der gestylten Gattin des Bundeskanzlers sah Christina Rau noch unauffälliger aus als sonst. Kein sichtbares Make-up, ein schlichter Pagenkopf, ein klassisches dunkelblaues Kostüm. Die neue First Lady ist weder Modepuppe noch strahlender Blickfang an der Seite des künftigen Bundespräsidenten Johannes Rau. Für ihre Rolle ist sie dennoch wie gemacht.

Nach der soliden Hauswirtschaftslehrerin Christiane Herzog, die sich vor allem mit Kochbüchern einen Namen machte, zieht jetzt die höhere Tochter ins Schloß Bellevue ein. Christina Rau, 42, spricht fließend Englisch, ist akademisch gebildet, bewegt sich sicher auf internationalem Parkett und beherrscht die Etikette. Gleichzeitig hat sie sich eine natürliche Ausstrahlung bewahrt. „Sie ist perfekt“, schrieb die Woche. Ob sie auch in den Augen der SPD-Frauen perfekt ist, die der Kandidatur von Johannes Rau nur zähneknirschend zugestimmt hatten, ist fraglich. Zwar eignet sich Christina Rau wunderbar zum Repräsentieren. Ein Vorbild für Gleichberechtigung und Emanzipation ist sie nicht.

Der Fabrikantentochter aus Bielefeld wurde eine erstklassige Ausbildung zuteil. Zunächst besuchte Christina Delius ein Internat in der Schweiz, von dort wechselte sie auf ein Mädchen-Internat in Kent. Ihr Abitur machte sie auf dem schottischen Elite-Internat Gordonstoun, das auch Prinz Andrew besuchte. Auf dem College in Wales spezialisierte sie sich auf „War Studies“, ihr Examen machte sie am Londoner King's College mit einer Arbeit über „Zivile Verteidigung und nukleares Gleichgewicht“.

Das war nicht mehr das klassische Thema einer Tochter aus gutem Hause. Die intelligente Frau hatte sich vom Elternhaus gelöst und begab sich auf den Weg einer akademischen Karriere. Zurück in Deutschland, begann sie eine Promotion über „Die deutsche Frage aus britischer Sicht“.

Dann verliebte sie sich in Johannes Rau – und die Karriere war beendet. Beim 50. Geburtstag des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen fand die damals 24jährige Gefallen an dem Mann, den sie schon seit ihrer Kindheit kannte. Zum ersten Mal begegnet waren sich die beiden zwölf Jahre zuvor beim 70. Geburtstag ihres Großvaters – in der Villa Hammerschmidt. Christina Rau ist die Enkelin des einstigen Bundespräsidenten Gustav Heinemann. 1982 heiratete Christina den 26 Jahre älteren Johannes Rau.

Die Promotion ließ die junge Ehefrau sausen – und kehrte zur klassischen Aufgabe einer höheren Tochter zurück: Christina Rau wurde Mutter von drei Kindern: Anna Christina (16), Philipp Immanuel (14) und Laura Helene (12). Seit ihrer Heirat lebt sie in einem unauffälligen Einfamilienhaus in Wuppertal-Elberfeld.

Über den Umzug nach Berlin läßt sie sich wenig entlocken. Im Gegensatz zum Ehepaar Herzog wollen die Raus privat nicht im Schloß Bellevue wohnen. „Ich möchte nicht, daß die Schulfreunde unserer Kinder an die Schloßtür klopfen müssen“, sagt die First Lady. Seit den Scheels sind sie das erste Präsidentenpaar mit schulpflichtigen Kindern.

Als „Landesmutter“ von Nordrhein-Westfalen hat sich die zurückhaltende Christina Rau nie gefühlt. Bei Terminen ihres Mannes hielt sie sich im Hintergrund. Wie es sich gehört, übernahm sie aber ein karitatives Amt als Schirmherrin des Bundesverbandes der Organtransplantierten. Das Medieninteresse, das jetzt auf sie zukommt, wird sie gleichmütig ertragen. Selbst nach den Geburten ihrer Kinder war die erschöpfte Mutter noch im Krankenhaus zu einem Lächeln für die Fotografen bereit. Jutta Wagemann, Berlin