: Die grüne Rotation ist abgeschafft
Als letzter Landesverband haben die Berliner Grünen das traditionelle Rotationsmodell gekippt. An seiner Stelle steht nun eine Quote für politische Newcomer ■ Aus Berlin Barbara Junge
Das Rotationsmodell ist tot – es lebe die „Neuen-Quote“. In zähen Debatten haben sich die Berliner Bündnisgrünen am Wochenende von einem ihrer Traditionsrelikte getrennt, dem Rotationsmodell. An Stelle der turnusgemäßen Auswechslung der ParlamentarierInnen steht dafür jetzt eine neue Quote. Eine Quote, die sichert, daß ein Drittel der Abgeordneten im Berliner Landtag Parlamentsneulinge sind.
Die traditionell linken Grünen in der Hauptstadt waren bis dato der letzte Landesverband, der das Rotationsmodell für Abgeordnete noch in seinen Statuten führte. Überall sonst im Rest der Republik, einschließlich der Bundespartei, lebt die Rotation nurmehr als Erinnerung an die Gründungszeiten. Doch auch in der Hauptstadt wurden die Traditionen im Grunde nur noch formal aufrecht erhalten. Eine „Papierrotation“ nennt der Sprecher des grünen Landesverbands, Andreas Schulze die bisherige Regelung. Zwar durften grüne PolitikerInnen nur in zwei von vier aufeinanderfolgenden Legislaturperioden einen Sitz im Landesparlament einnehmen. Doch was ursprünglich als Ausnahme gedacht war, wurde zur längst Regel: Mit einer Zweidrittelmehrheit bei der Abstimmung um die KandidatInnenliste zur Abgeordnetenhauswahl konnten die Altverdienten auf Antrag erneut ins Parlament geschickt werden – und wurden es auch stets.
Deshalb nennt Schulze die jetzt erfolgte Statutenänderung seiner Landespartei auch augenzwinkernd „mal wieder eine Revolution aus Berlin“. Zwar schaffe man die Buchstaben der Rotationsregelung ab, „aber wir retten ihren Geist“. Denn statt der statischen alten Regelung, die aufgrund der realen Bedingungen keine Wirkungskraft mehr hatte, soll nun ein anderes Instrument junge Leute in die Parlamente und Dynamik in die Politik bringen. Der Landesparteitag am Samstag beschloß, daß künftig jede dritte KandidatIn auf der Liste für die Abgeordnetenhauswahlen noch nie im Parlament gewesen sein darf. Die grüne Frauenquote ist von dieser Reglung allerdings unberührt und gilt weiter.
Damit verhalten sich die Grünen in der Hauptstadt auch zu ihrem Generationenproblem. Besonders im Landesparlament gibt die Garde der Nach-68er den Ton an. Da beherrscht der ehemalige Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland unangefochten die rhetorische Bühne, da konkurriert die jetzige Fraktionschefin Michaele Schreyer mit der sozialdemokratischen Finanzsenatorin. Und wer für die Grünen in Bonn im Oktober mitverhandelte war Renate Künast, ebenfalls Fraktionschefin, zwar erst 42jährig, aber bereits in der rot-grünen Berliner Regierung 1989 schon einmal auf dem Posten der Fraktionschefin.
Von Nachwuchs dagegen bleiben die Bündnisgrünen weitgehend verschont. Aktive Nachwuchsförderung ist bei den Hauptstadt-Grünen Gebot. „Wir haben weniger Bedarf an alten Hirschen“, gibt auch der Parteisprecher zu, „wir haben Bedarf nach Frischluft.“
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