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■ Die große Steuerreform der Koalition ist gescheitertTiger zu Bettvorlegern

Die große Steuerreform war einmal das Hoffnungsprojekt der Koalition. Heute, ein dreiviertel Jahr nachdem die hochfliegenden Pläne erstmals vorgestellt wurden, ist klar, daß der Tiger als Bettvorleger gelandet ist. Eine Nettoentlastung von 30 Milliarden Mark war geplant. Statt dessen wird sich der Vermittlungsausschuß, der gestern zum erstenmal tagte, möglicherweise nur auf eine Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und eine Senkung der Lohnnebenkosten verständigen.

Hat die Politik versagt, gar das politische System, weil der Bundesrat den Bundestag blockieren kann? Sollte man wieder mehr darüber nachdenken, die Wahlperiode zu verlängern, damit der Wahlkampf nicht so oft im Vordergrund steht? Zusammengefaßt: Muß die Politik nicht wieder sachbezogener werden?

Natürlich sind die Verhandlungen von Taktik bestimmt. Das zeigte schon der lächerliche Streit über den Ort des Steuergipfels. Es ist doch klar: Wenn die Koalition eine erfolgversprechende Reform auf den Weg bringt, schmälert das die Chancen der SPD bei den Wahlen. Wenn die CDU zu sehr nachgibt, wertet sie die SPD auf.

Dennoch wäre es verfehlt, das Scheitern der großen Reform auf bloße Taktiererei beziehungsweise Blockadepolitik zurückzuführen. Für die Haltung beider Seiten gibt es jeweils einen sachbezogenen Hintergrund. Die Koalition will mit einem Kraftakt vor allem die Betriebe und Unternehmen entlasten, um Investitionen zu fördern. Ohne die Nettoentlastung hat dieses Vorhaben seinen Sinn verfehlt. Die SPD lehnt unter anderem wegen des riesigen Haushaltsdefizits das Vabanque-Spiel einer Nettoentlastung ab – aus gutem Grund.

Denn die Regierung hat ihre Steuerreform unter falschen Voraussetzungen konzipiert. Die Finanzierungslöcher, die durch die Steuerschätzung im Mai bekannt wurden, waren nicht absehbar. Sie muß daher umschwenken. Das bedeutet nicht, daß sie handlungsunfähig ist. Eine Vereinfachung des Steuerrechts, mehr Teilzeitarbeit, Modernisierung der öffentlichen Verwaltung und eben die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer sowie die Senkung der Lohnnebenkosten sind seriöse Schritte zur Senkung des Haushaltsdefizits und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Nur wenn sich die Parteien in diesen Punkten nicht einigen können, würde ihnen das Wahlvolk zu Recht bloße Taktiererei vorwerfen. Markus Franz

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