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Archiv-Artikel

Die fabelhaften Delpy Boys

„Das nächste Lied handelt von Selbstmord“: Die französische Schauspielerin Julie Delpy stellte in der Kulturbrauerei ihr Debüt-Album vor und empfahl sich Cineasten und Weißweintrinkern als begnadete Stand-up-Comédienne

Man kennt sie aus diversen Filmen: Sie spielte zum Beispiel in Godards „Detektive“, in Schlöndorffs „Homo Faber“ und Avarys „Killing Zoe“. Besonders blieb sie wahrscheinlich dank Richard Linklaters „Before Sunrise“ in Erinnerung, jenem Film, in dem sie mit Ethan Hawke rund 90 Minuten im Zug fährt und redet. Seither hält man Julie Delpy gern für das Idealbild einer rastlos romantischen Französin.

Als der Film 1995 in die Kinos kam, prophezeite man ihr eine große Karriere. Weil die dann aber deutlich kleiner ausfiel, verlor man sie zwischenzeitlich etwas aus dem Blick. Immerhin wird bei der kommenden Berlinale die wohl unvermeidliche Fortsetzung von Linklaters Konversationsfilm präsentiert, die entweder „If Not Now“ oder, noch origineller, „Before Sunset“ heißen wird.

Doch bevor es so weit ist, stellte Julie Delpy am Sonntagabend im Palais der Kulturbrauerei ihr Talent als Sängerin unter Beweis, denn immerhin macht sie neuerdings auch Musik. Erst Ende Oktober hat sie ein Album veröffentlicht, welches Song für Song exakt so klingt, wie man es gewiss nicht von einer französischen Schauspielerin erwartet. Sie singt erstens mit fester Stimme, bevorzugt dabei zweitens die englische Sprache, und macht drittens ausgerechnet in Folk.

Das hatte zwar einige Vergleiche mit der großen Joni Mitchell, der wunderbaren Ricky Lee Jones und der zutiefst ablehnungswürdigen Heather Nova zur Folge, doch erinnert Julie Delpy eher an Penelope Houston, Barbara Manning, Jeff Buckley und Liz Phair. Wenn sie auf der Bühne steht, benimmt sie sich ein bisschen wie die junge Hanna Schygulla oder Michelle Pfeiffer in „Die Fabelhaften Baker Boys“. Meistens hat sie sich dabei eine akustische Gitarre vor die Brust geschnallt, und wenn sie hier und da beim Singen ein wenig lauter wird, schließt sie zwecks Konzentrationssteigerung die Augen.

Das Ganze ist in musikalischer Hinsicht zwar nicht wirklich toll, aber ausbaufähig und gut genug, um nicht schlecht zu sein. Zur Höchstform läuft Julie Delpy jedoch auf, wenn es darum geht, ihr Image als zartes und zerbrechliches Wesen zu bombardieren. Das Publikum, das sich erwartungsgemäß aus so genannten Cineasten und Weißweintrinkern zusammensetzte, war wohl gekommen, um sich an dem Anblick einer schutzbedürftigen Lichtgestalt zu weiden, doch was Delpy ihnen bot, war eine Parade der mit Abstand stumpfesten, klügsten, sinnlosesten, kaltschnäuzigsten und pointiertesten Ansagen, zwischen die sie aber leider immer wieder ihre Lieder streuen musste.

Wenn sie neben der Schauspielerei und der Musik irgendwann noch eine dritte Karriere anstreben sollte, sei ihr der Beruf der Stand-up-Comédienne jedenfalls dringend empfohlen. Sie sagte Dinge wie: „Meine Platte heißt Julie Delpy. Ich wollte sie nicht so nennen, aber das ist mein Name; Das nächste Lied heißt Mr. Unhappy. Es handelt von einem Mann, der nicht happy ist; Ich werde jetzt ein Lied singen, das Ready To Go heißt. Es handelt von Selbstmord; Ich werde jetzt ein Lied singen, das Solution heißt, obwohl das Wort Solution nicht darin vorkommt. Dafür ist es möglicherweise ein politisches Lied, das ist sehr verwirrend; Ich wollte gerade sagen, dass ich ihnen ein Lied singen werde. Aber dass ich eine Lied singen werde, brauche ich Ihnen ja eigentlich gar nicht zu sagen. Es ist offensichtlich, deswegen stehe ich ja hier; Ich werde Ihnen jetzt meine Band vorstellen. Sie heißen die Delpys. Ich war mit jedem von ihnen verheiratet. Sie sind sehr nett.“ Die fünf Musiker lächelten daraufhin freundlich und spielten ein weiteres Lied.

HARALD PETERS