■ Die britische Monarchie auf dem Weg zur Erneuerung: Von Windsor zu Spencer
So wurden früher Königshäuser gestürzt. Was Earl Spencer, Bruder der verstorbenen Prinzessin Diana, bei seiner Trauerrede am Samstag gegenüber der britischen Königsfamilie äußerte, hätte man einst als Hochverrat betrachtet. Er sprach ihr die Fähigkeit zur umfassenden Fürsorge für die beiden Prinzen William und Harry ab. Damit ist der Damm gebrochen, der den Unmut über den Zustand der Monarchie in Großbritannien bisher von der praktischen Politik fernhielt. Die Windsor-Familie, die bei dem Trauerakt die Rolle von Statisten spielte, hat ein Stück Legitimität eingebüßt; der Bruder Spencer hat eine zentrale Aufgabe der Königsfamilie beansprucht: die Erziehung des Thronfolgers.
Spätestens wenn William einmal nach dem Tod der Queen und des Thronfolgers Charles selbst König wird, ist abzusehen, daß er in den Augen der Öffentlichkeit sein Prestige vor allem dem Umstand verdankt, daß er Dianas Sohn ist – und damit einige ihrer jetzt so bewunderten Qualitäten verkörpert. Eine neue dynastische Aura wird ihn umgeben. Eine neue Königsfamilie wird mit ihm entstehen.
Das ist auch der unausgesprochene Wunsch der britischen Öffentlichkeit, die die überraschend deutlichen Worte von Dianas Bruder so heftig beklatschte, während die Windsors in der Westminster-Abtei – mit Ausnahme der beiden Prinzen – still blieben. Die Reaktionen lassen nicht auf sich warten. Schon verpflichten sich Zeitungen, die jungen Prinzen von medialer Aufdringlichkeit zu verschonen – und nur die beiden jungen Prinzen, nicht etwa den Rest der Familie Windsor.
Ist damit die Monarchie in Großbritannien in Gefahr? Im Gegenteil. Zum ersten Mal nach Jahren beispiellos heftiger Kritik zeigt sich für sie ein Ausweg in eine neue Ära. Die Sensationsgier des Boulevard- Journalismus hat mit Dianas Tod einen schweren Schlag erlitten. Nun öffnet sich der Blick auf eine neue Art des öffentlichen Respekts, den man aber von vornherein für den übernächsten König, den Sohn der toten Prinzessin, reserviert. Eine mögliche Thronbesteigung ihres Ex-Mannes dagegen wird bereits heute von der britischen Öffentlichkeit als Zeit des Stillstands abgeschrieben. Einige Jahrzehnte müssen also wohl noch ins Land gehen. Aber langsam gewinnt hier das New Britain Konturen, das Tony Blair seinen Wählern als Weg ins nächste Jahrtausend versprochen hat. Dominic Johnson
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