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Die braune Brückenstraße15 Minuten im Problemkiez

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse ist in Schöneweide auf "Tour für Demokratie".

Neonazi-Treffpunkt in Schöneweide: die Kneipe "Henker". Bild: dpa

Bunte Kühe, große Blumen und der Slogan „Schöner Weiden“– das Graffito in der Brückenstraße in Schöneweide ist nicht gerade in klassischer Antifa-Ästhetik gehalten. Trotzdem wurden die KünstlerInnen beim Sprayen von Rechten bedroht, denn das hier ist ein besonderer Ort: Direkt gegenüber liegt die Nazikneipe „Zum Henker“, wenige Meter weiter der vom NPD-Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke betriebene Szeneladen „Hexogen“. Wer etwas gegen das Image des Brückenkiezes als braune Hochburg tun will, und sei es mit einem fröhlichen Farbklecks, bekommt hier schnell Probleme.

„Was kann man tun?“

Die besondere Lage erklärt auch, warum an diesem Montagvormittag Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) das Graffito begutachtet: Er ist, begleitet vom Integrationsbeauftragten Günter Piening sowie Staatssekretärin Barbara Loth (CDU), auf „Tour für Demokratie“ durch den Kiez. „Es geht immer um die Frage: Was kann man tun?“, sagt Thierse.

Kati Becker vom in der Brückenstraße ansässigen Zentrum für Demokratie weiß, dass es auf diese Frage keine einfachen Antworten gibt. Sie selbst ist im Kiez aufgewachsen und engagiert sich seit Jahren gegen die Neonazis. „Wir müssen den Teil der Gesellschaft sichtbar machen, der was gegen die Rechten hat. So lange, bis sich die Nazis hier nicht mehr wohlfühlen“, sagt sie.

Wie das denn nun aussieht, wenn Nazis sich eingerichtet haben, will Thierse heute in Erfahrung bringen. Die „Begehung des Problemkiezes Brückenstraße“ muss allerdings aus Zeitmangel auf 15 Minuten verkürzt werden. Das reicht gerade, um einmal die Brückenstraße hoch- und runterzulaufen. Vorbei an der mehr als trostlos wirkenden Nazikneipe, an der Thierse von außen prüfend die Getränkekarte studiert. Im Angebot gibt es heute ein als „Odin-Trunk“ bezeichnetes Honigbier.

Das unbebaute Grundstück neben der Kneipe gehört dem Liegenschaftsfonds Berlin. Ein Teilnehmer des Spaziergangs regt an, hier solle doch das Land aktiv werden und Wohnungen für Studenten bauen lassen – die könnten den Kiez positiv beleben. Günter Piening macht einen Alternativvorschlag: Statt Wohnungen schwebt ihm eine Gartenanlage nach dem Vorbild der Kreuzberger Prinzessinnengärten vor, am besten interkulturell natürlich und von den AnwohnerInnen gepflegt.

Wenn Kati Becker von den BewohnerInnen des Kiezes erzählt, scheint es allerdings eher zweifelhaft, ob diese für interkulturelle Gartengestaltung neben einer Nazikneipe zu gewinnen wären. Es gibt Menschen, die sich in Schöneweide seit vielen Jahren und mit viel Einsatz gegen die Rechten engagieren – doch es sind wenige. „Die meisten Leute hier beschweren sich über mangelnde Parkplätze statt über die Nazis. Die nehmen das gar nicht als Problem wahr, vom Alltagsrassismus mal ganz zu schweigen“, sagt Becker.

Scheiben eingeworfen

Für die AktivistInnen ist die Situation nicht einfach: Sie stoßen nicht nur vielfach auf taube Ohren, sondern müssen außerdem noch mit der ständigen Angst vor rechten Übergriffen leben. Auch im Zentrum für Demokratie werden immer wieder Scheiben eingeworfen und Rollläden beschmiert.

Es sei wichtig, dass ein öffentliches Interesse für das Viertel geschaffen werde, sagt Becker. „Wir müssen Berlin nach Schöneweide holen“, fordert auch Bianca Klose, Vorsitzende der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Sowohl die BerlinerInnen als auch die Landespolitik müssten die Probleme im Brückenkiez stärker als ihre eigenen wahrnehmen und die lokalen Initiativen unterstützen.

Vielleicht kann der heutige Spaziergang ja dazu beitragen, dass die Naziszene in Schöneweide nicht nur als Angelegenheit des Stadtteils wahrgenommen wird. Auch wenn Thierse den Brückenkiez ein „braunes Biotop“ nennt – und so eher den Eindruck erweckt, es gehe um eine lokale Absonderlichkeit als um ein Problem, das alle etwas angeht.

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9 Kommentare

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  • H
    Heinz

    "Wer etwas gegen das Image des Brückenkiezes als braune Hochburg tun will, und sei es mit einem fröhlichen Farbklecks, bekommt hier schnell Probleme." Dieses Zitat aus dem Artikel finde ich ziemlich daneben. Von Leuten die keine Ahnung haben. Ich wohne im Haus gegenüber der Kneipe "Zum Henker" und hier wird regelmäßig mit "Farbklecksen" von der linken, autonomen Seite was getan. Ich finde es von der Linken beschähmend, frisch renovierte Häuserzeilen zu beschmutzen, wieder saniert, dann wieder bewerfen. Mich freut es ehrlich gesagt, dass diese Leute dann Probleme kriegen.

  • S
    Schweineöde

    Bis vor einiger Zeit wohnte auch ich in dem "Problemkiez" und habe ihn auch als solchen verstanden...

    Super gelegen, zwischen Spree und Wuhlheide könnte er der Bezirk, für kinderreiche Eltern, überhaut werden-wenn da nicht diese Chaoten wären!

    Verständlich, dass es Auswirkungen hat, wenn ein (nahezu) kompletter Bezirk auf einen Schlag arbeitslos wird.

    Die "AEG" und "TRO" schlossen, die Arbeiter (Schöneweide ist ein Arbeiterviertel gewesen!) wurden arbeitslos...was hilft: Alkohol!?!Soweit sogut, nur das diese nun Arbeitlosen eben auch Kinder haben (und diese bereits ebenfalls)und diesen wird in Schöneweide zumeist die Strasse zum Spielplatz. Mit Machete,Baseball-Schläger oder Gasknarre ausgerüstete Teenager traf ich dort des öfteren. Aber: eben Teenager, nicht ausschliesslich Neonazis. Gestrandete, im allgemeinen: (zumeist qualitav anspruchslose) Sprüher, Rechte, Linke, Computernerds , Suffis.

    Diese "Randgruppen" haben in Schöneweide ein freies Feld, aber die Rechten sind definitiv die Gruppierung, die sich am aggresivsten ihren Bereich absichert.

    Es ist erstaunlich, wie eine relativ kleine Gruppe einen ganzen Bezirk derart in Verruf bringen kann.

    Ein Gefühl von Angst und Beklemmung macht sich breit, in dem Viertel, wo nach 20Uhr kaum noch ein Rentner anzutreffen ist.

    Der Bahnhof ist unter aller Sau und auch sonst ist der Bezirk eher trostlos-da bringen auch die handvoll Studenten nichts.

    Kunst in den leerstehenden Hallen am Wasser, mehr Unterstützung für das in ungnade verfallene FEZ, mehr Jugendangebote, Proberäume, Bars, der Ausbau des Mellowparks, Arbeitsplätze braucht, glaube ich, Schöneweide. Es gibt viele schöne Seiten, aber eben auch (echt unangenehme) Schattenseiten im Bezirk Schweineöde.

    Kein Freiraum den Nazis in Schöneweide, oder sonstwo-aber die Ursachen müssen bekämpft werden&dass geht (wenn überhaupt) nur durch die Politik

  • L
    L.H.

    Also Bier hin oder her (ich find den Namen Odin-Trunk ja schon ein bisschen komisch), ich find den Artikel gut und wichtig. Die Nazikommentare hier soll aber wirklich mal jemand löschen, das geht überhaupt nicht.

  • F
    Frodo

    Wie "intollerant" Rechtsextreme gegenüber vermeintlich oder tatsächlich linken Menschen sind, kann man mit schöner Regelmäßigkeit in den Berichten der Polizei und der Verfassungsschutz-Ämter lesen. Man muss nur lesen können und auch wollen.

     

    Aber, liebe taz: Odin-Bier, wirklich? Als quasi braune Pointe, die als anschauliches Bild für die rechte Gesinnung dort herhalten muss?

    Das Zeug gibt es in fast allen Metal- und Rock-Kneipen, gerade in multikulturellen und bunten Kiezen wie in Kreuzberg und Friedrichshain ebenso wie beim Späti nebenan, der von Mitmenschen mit Migrationshintergrund betrieben wird. Ich habe das Zeug früher ganz gerne getrunken und das gab und gibt es auch in linken Läden. Armselig.

  • I
    ichwerdennsonst

    Ich will die Nazikommentare nicht kommentieren, das sind sie nicht wert.

    Aber Barbara Loth ist nicht in der CDU, sondern in der SPD.

  • ZB
    Zoltan Bauer

    Es gibt in unserer Gesellschaft Links- und Rechtsextremisten. Mit beiden Gruppierungen muss die Gesellschaft leben. Solange Gesetze eingehalten werden, gibt es keinen Grund, polizeiliche Maßnahmen zu fordern. Ich vermute, die Bewohner in der Brückenstrasse fühlen sich sicherer, als viele Bewohner im multikulturellen Neukölln. Nachdem ich in der Brückenstrasse gute Bekannte habe, die dort wohnen, kann ich bestätigen, dass sich die meisten Anwohner nicht durch die "Rechten" gestört oder gar belästigt fühlen.

  • A
    Antifaschist

    Ich glaubs nicht! Werden die Kommentare von der taz überhaupt noch redaktionell geprüft oder gehen wir jetzt schon komplett mit den braunen bzw. rechtsaußen-Argumentationsmustern konform??? Hier wird offensichtlich NAzis das Wort gegeben :"Diese Demokratie hat uns Hartz IV, Massenverarmung, Wohnungsnot und den sinnlosen Krieg in Afghanistan gebracht. Ich kann auch ohne diese "Demokratie" gut lebe", könnte auch aus einem NPD-Wahlwerbespott sein.

     

    Gleichzeitig lässt man als angeblich linke Zeitung die Leute schön schreiben:"Eines muß man mal konstertieren. Nur weil sie Ansichten vertreten, die uns nicht gefallen sind es trotzdem Menschen, von denen ich nicht glaube sie wären ebenso intollerant wie einige aus dem linken Lager gegenüber ihnen."

     

    Na klar sind es Menschen, aber eben Menschen die andere Menschen als minderwertig betrachten und deshalb über ihre Existenz richten wollen.

    Die taz scheint damit kein Problem zu haben und das ist mehr als beschämend für alle Menschen die Widerstand geleistet haben und ihn noch heute leisten!

  • KS
    Kurt Schumacher

    Ich hab neulich die Wirtin des Henkers mal kennengelernt nach dem Motto "Ran an den Feind". Neben den deutlich völkischen Ansichten hat mich doch überrascht wie tolerant sie in der Erziehung ihrer kleinen Tochter ist. Eines muß man mal konstertieren. Nur weil sie Ansichten vertreten, die uns nicht gefallen sind es trotzdem Menschen, von denen ich nicht glaube sie wären ebenso intollerant wie einige aus dem linken Lager gegenüber ihnen. Hass habe ich dort nicht erlebt. Und er wäre auch ein denkbar schlechter. Ratgeber... :-|

  • N
    Nemo2011

    Diese Demokratie hat uns Hartz IV, Massenverarmung, Wohnungsnot und den sinnlosen Krieg in Afghanistan gebracht. Ich kann auch ohne diese "Demokratie" gut leben.