■ Die anderen: Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und die "Süddeutsche Zeitung" zum Scheitern der Steuerreform, die "New York Times" zu Bosnien
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zum Scheitern der Steuerreform: Die Sozialdemokraten haben erreicht, was Lafontaine wollte. Die Partei beugt sich seinem Willen. Alle weitergehenden Fragen sind offen. Im Blick auf die großen Herausforderungen sendet die SPD widersprüchliche Botschaften aus. Sie will, Lafontaine verkörpert das, einerseits polarisieren, die Möglichkeit einer gänzlich „anderen Politik“ glaubhaft machen. Andererseits muß sie auf vielen politischen Feldern von alten sozialdemokratischen Glaubenssätzen Abschied nehmen, um in den Augen der von der Koalition Enttäuschten überhaupt als regierungsfähig zu erscheinen. Dafür steht Schröder. Das Festhalten an der Steuerblockade zeigt, daß Lafontaine das Steuer in der SPD fest in der Hand hält. Daraus entsteht ein gewisser Druck, dann auch in offener Wahlschlacht für die Partei als Kanzlerkandidat einzustehen. Für Kohl wäre das eines der Geschenke des Himmels, die ihm immer wieder zuteil werden.
Die „Süddeutsche Zeitung“ zur Steuerreform: Das, was einst als Jahrhundertwerk in Szene gesetzt werden sollte, präsentierte sich letztlich wie ein schlecht abgenagter Knochen, den man getrost auf den Kehrichthaufen werfen kann. Der letzte, ungeschickte Versuch des Unions-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble, wenigstens ein klein wenig von der Reform zu retten, ist zu Recht gescheitert. Denn eine Senkung der Sozialbeiträge und als Ausgleich eine Erhöhung der Mineral- und Mehrwertsteuer, das wäre nicht wesentlich besser als gar kein Ergebnis gewesen. Es hätte weder als Beitrag zur Lösung der Probleme noch als Signal getaugt, daß es das Land mit Reformen wirklich ernst meint.
Die „New York Times“ zu Bosnien: Die Lösung für Bosnien ist so heute so offensichtlich wie 1991: Teilung. Aber der Westen, die Vereinigten Staaten eingeschlossen, entschieden damals, das sei ein grauenhaftes Konzept, das es mit Gewalt zu verhindern gelte. Diese Einstellung bedeutet, daß der Westen seine Truppen auch nutzen müßte, um griechische und türkische Zyprioten zusammenzubringen, Irland und Korea zu vereinigen und einen Palästinenserstaat zu verhindern. Statt der Realität endlich ins Auge zu sehen, wirbt Washington dafür, auf unabsehbare Zeit Truppen in Bosnien zu behalten. ... Der Kongreß sollte fordern, daß die Zeit, die bis zum gegenwärtig beschlossenen Abzugstermin nächsten Juni bleibt, nicht einfach genutzt wird, um eine Verlängerung zu planen, sondern um eine Teilung auszuarbeiten. Als drei Nationen, durch internationale Grenzen getrennt, können die Bosnier sich um ihre eigenen Verantwortlichkeiten kümmern – und um das, was ihre gegenseitigen Animositäten und die Einmischung des Westens von ihnen übriggelassen haben.
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