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Die anderen

Im Nachrichtenmagazin Spiegel kommentiert der Herausgeber Rudolf Augstein die CDU-Spendenaffäre: Da der vorherige Bundeskanzler (Helmut Kohl) sich nun selbst tagtäglich mit Schmutz besudelt, können wir uns auch ungescheut seinem Nachfolger im Parteivorsitz und gleichzeitigen Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU zuwenden: Herrn Dr. jur. Wolfgang Schäuble. Mit Ehrenworten hat er zwar nicht um sich geworfen, jedoch Kohls gleichsam diktatorales System so verinnerlicht, dass er jeden Anstand und Abstand fallen ließ: Er hat, wie früher nur der selige Franz Josef Strauß, den Bundestag belogen. Wenn Schäuble denn vorher trotz Behinderung sein Geschäft zur Zufriedenheit der ganzen Christen-Union geführt hat, so ist das jetzt spürbar nicht mehr der Fall. Man müsste annehmen, dass er seine Rolle als Großknecht gern wieder verlassen würde. Wie man die CDU aber kennt, wird sie ihn wieder wählen. Doch was bringt er für die Wiederwahl mit? Ein arg bekleckertes Hemd, in dem ihn sein Ziehvater offenherzig für unfähig erklärt. Er hat eine Barspende von 100.000 Mark entgegengenommen, sie ist unter seiner Obhut entschwunden. Und das will nun der gewaltige Herkules sein, der den Augiasstall säubern und „alles in Ordnung“ bringen soll? Munteren Zeiten sehen wir da entgegen.

Zum gleichen Thema schreibt im Focus der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und Rechtsexperte Horst Eylmann: Es gibt Systeme, die den Keim der Selbstzerstörung in sich tragen. Das Herrschaftssystem Hemut Kohls war von dieser Art. Ein solches System steht und fällt mit der Macht dessen, der im fein gesponnen Netz persönlicher Vertrauensbeziehungen die Fäden in der Hand hält. Die Erosion der Autorität Kohls begann, sehr zögerlich und noch aufgehalten durch die Erfolge bei den jüngsten Landtagswahlen, mit der Bundestagswahl. Nun fehlte die Binnenstabilität durch die zur Bedeutungslosigkeit degradierten Institutionen der Partei und der Fraktion. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sich die Nachtseite des Systems zeigen würde. Selbst wenn der Zufall nicht geholfen hätte, es wäre – wie bei der Flick-Affäre – alles herausgekommen. Unkontrollierte Macht korrumpiert nicht nur, sie macht auch blind. Und die Zukunft der CDU? Wer jetzt die Wahrheit nicht suchen und aushalten will, versucht, seinen Kopf auf Kosten der Partei aus der Schlinge zu ziehen, und wird gehen müssen. Das gilt auch für Helmut Kohl. Wenn die CDU die Trennungslinie zu ihm und seinen Seilschaften hart und unmissverständlich zieht, wird sie überleben. Sie hat genug moralische und politische Substanz.

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