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■ Die Zukunftskommission weist Wege, aber nicht immer richtigeKonzept mit Gerechtigkeitslücke

In seinem neuesten Buch warnt der Soziologe Ulrich Beck vor den Irrwegen des Globalismus, der die gesellschaftliche Entwicklung auf den Nenner eines betriebswirtschaftlichen Kalküls bringt. Der nun von Beck und seinem Kollegen Meinhard Miegel vorgelegte Bericht der Zukunftskommission ist nicht frei von diesen Irrwegen.

In ihrem Bemühen, die klassische Frontstellung Kapital versus Staat zu überwinden, sind die beiden ins Fahrwasser der Angebotstheoretiker geraten, welche die deutsche Arbeitsmarktpolitik seit längerem so nachhaltig wie erfolglos prägen. Nicht daß sie dem Kapital die Rolle des Protagonisten bei der Umgestaltung der arbeitnehmerzentrierten Industriegesellschaft zuschreiben, ist das Problem, sondern daß sie dessen Potentiale grotesk überhöhen. Kapitalbildung in Arbeitnehmerhand wird in Becks und Miegels Händen zum Zusatzmotor einer Kapitalakkumulation, die entweder Arbeitsplätze schafft oder mancher Erwerbsperson soviel Kapital verschafft, damit sie sich vom Arbeitsmarkt zurückzieht.

Das ist der Stoff, aus dem eine Staatskanzlei Wahlkampfreden zimmern kann. Von einem Wissenschaftler hingegen wird Auskunft darüber erwartet, wie diese notwenige Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums gesteuert werden soll, wem gegeben und, vor allem, wem genommen wird.

Kapitalbildung in Arbeitnehmerhand ist nicht allein Transmissionsriemen des Verwertungsprozesses, sondern auch Mittel zur Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit. Gerechtigkeit jedoch gerinnt in den Vorschlägen der Zukunftskommission , wie übrigens auch die Grundsicherung, zur abhängigen Variablen. Dabei ist letztere eine zentrale Bedingung, um der Gesellschaft die Angst vor diesen notwendigen Umgestaltungen zu nehmen, und erstere unabdingbar, soll dieser Prozeß nicht jenen recht geben, deren überkommener Etatismus doch gerade überwunden werden soll.

Mit diesen Ergänzungen wäre das Papier eine gute Grundlage, um die Zukunft der Arbeitsgesellschaft zu diskutieren. Es lohnte allemal, es zum streitbaren Gegenstand der aktuellen Auseinandersetzungen an den Universitäten zu machen, die allzusehr um die pure Daseinsvorsorge kreisen. Würde es dazu dienen, der Reform des Bildungssystem auch Inhalt zu geben, hätte sich das Papier schon gelohnt. Würde es von zwei Staatskanzleien als Steinbruch benutzt, um parteipolitische oder regionalistische Interessen zu legitimieren, wäre es schade drum. Dieter Rulff

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