piwik no script img

Die Zukunft stirbt in Zeitlupe

■ Western-Meilensteine von Sam Peckinpah mal wieder im Kino

Es war 1969, als die Mythologie des klassischen Western unbarmherzig und in Zeitlupe zusammengeschossen wurde. Sam Peckinpahs Klassiker The Wild Bunch markierte einen brutalen Wendepunkt in der Filmgeschichte und das Ende der letzten Reste einer traditionsreichen Wild-West-Romantik, die acht Jahre zuvor noch in Peckinpahs Erstling Gefährten des Todes zu sehen gewesen waren.

The Wild Bunch erzählt den systematischen Niedergang einer von Anführer Pike Bishop (William Holden) organisierten Outlaw-Gang, die im beginnenden Zerfall noch einmal versucht, auf die Beine zu kommen. Ein ehemaliger Mitstreiter und Freund Pikes, Deke Thornton (Robert Ryan), ist ihnen im Namen des Gesetzes auf der Spur, und die Flucht führt den bunch nach Mexiko. Dort soll ein Überfall im Auftrag des Generals Mapache auf einen Waffentransport ihr letzter Coup werden.

Eingerahmt von zwei minutenlangen Massaker-Sequenzen erscheint der Verfall des Wilden Haufens wie ein Sinnbild des so unaufhaltsamen wie brutalen Endes des klassischen Western. Das „go west, young man“ und der frontier-Gedanke vom Aufbruch in die neuen Weiten sind um ihren Sinn beraubt. Der Westen als Raum ist hier mehr als begrenzt, die Enge zwingt die Antihelden nicht west-, sondern südwärts. Damit offenbart sich zugleich die Ausweglosigkeit und Verzweiflung derer, die ihr Leben und Selbstverständnis mit dem Glauben an eine grenzenlose, unschuldige Weite und der darin zu gründenden Unabhängigkeit der eigenen Person verknüpft hatten.

Die Zerstörung von Western-Gesetzen wie Loyalität und Männerfreundschaft hatte schon in Gefährten des Todes eingesetzt. Zwar funktioniert hier noch die klare Trennung zwischen dem Helden Yellowleg (Brian Keith) und seinem Widersacher Turk (Chill Wills). Doch auch hier weht schon spürbar der Pesthauch der Genre-Verwesung. So als ob das Happy End nur ein letzter Aufschub ist, und damit wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft bleibt.

Denn indem der Einzelgänger Yellowleg mit Turk endlich den Mann aufspürt, an dem er sich seit fünf Jahren zu rächen versucht, hat sein Leben zugleich den einzigen Sinn verloren. Und mit der ebenso einsamen Kit (Maureen O'Hara) scheinen sich hier am Ende eher zwei zerstörte Existenzen zusammenzuraufen, als ein Liebespaar sich zu vereinigen. Inwieweit Gefährten des Todes schon von der Hoffnungslosigkeit des Wild Bunch und der Unmöglichkeit von Glück erzählt, ist jetzt im Fama zu sehen. Jan Distelmeyer

Gefährten des Todes: heute und Fr; The Wild Bunch: Sa/So; jeweils 22.30 Uhr, Fama

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen