: Die Zirkusartistin
Wie machen Sie das?
Laura Miller, 37, ist Zirkusartistin. 16 Meter über dem Boden schwingt sie am Seil – in verschiedenen Zirkussen, auf allen Kontinenten. Eine, die immer reist, über Heimweh und Ersatzfamilien.
taz.am wochenende: Frau Miller, seit 14 Jahren reisen Sie als Zirkusartistin durch die Welt. Wenn Sie jemand fragt, wo Ihre Heimat ist, was sagen Sie?
Laura Miller: Als Erstes sage ich dann: England. Dort, wo meine Familie lebt. Dann erkläre ich wahrscheinlich Heimat als den Ort, an dem mein Partner und mein Hund sind. Und da beide gerade mit mir mitreisen, ist Heimat dort, wo ich mit beiden bin und wo mein Wohnwagen steht. Gerade: Berlin.
Wie ist es, alle paar Wochen an einen neuen Ort zu kommen?
Ich mag die Rolle der Touristin. Ich kann eine Stadt immer neu kennenlernen. Aber natürlich habe ich oft Heimweh und meine Familie fehlt mir sehr. Vor allem, wenn es mir nicht gut geht.
Was hilft gegen Heimweh?
Ständige Kommunikation: WhatsApp, Skype, telefonieren. Ich freue mich, wenn ich in einer Stadt bin, in der es einen Flughafen gibt. Wenn wir in eine andere Stadt ziehen, haben wir oft 3, 4 Tage für den Auf- und Abbau, inklusive Umzug. Manchmal fliege ich dann sofort zu meinen Eltern. Das ist natürlich viel zu kurz und man bleibt nur Besucher. Ich habe ständig das Gefühl, etwas von dem Leben meiner Familie zu verpassen.
Und an den großen Feiertagen, Weihnachten zum Beispiel?
An Weihnachten ist es eigentlich am stressigsten im Zirkus. Wir haben eine Extrashow nach der anderen. Seit Jahren tut meine Mutter so, als sei Anfang Dezember schon Weihnachten. Sie gibt sich richtig Mühe, das zu inszenieren, mit allem, was dazugehört: Weihnachtsbaum, Geschenke. Ein richtiges Weihnachtsfest gibt es außerdem im Zirkus.
Mit einer Art Ersatzfamilie?
Auf jeden Fall: Wir sind gerade 52 Artisten und Artistinnen. Jeder hat seinen eigenen Bereich, aber natürlich arbeiten wir nicht nur, sondern leben jeden Tag zusammen. Der Zirkus ist mein Leben und ja, auch eine Art Großfamilie, mit der man immer unterwegs ist.
Interview Ann Esswein
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