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Die Wochenvorschau von Rainer RutzEntspannt und nett war gestern

Abgeordnetenhaus – was ist das? Viele Ber­li­ne­r:in­nen hatten vermutlich schon vergessen, dass es ein Landesparlament gibt. Kein Wunder: Komplette vier Wochen war hier zuletzt Schicht im Schacht. Kein Ausschuss, kein Plenum, Osterferien in extenso. Ab Montag ist die entspannte Zeit vorbei. Im Abgeordnetenhaus jagt wieder eine Ausschusssitzung die nächste. Die Freude ist riesig.

Nur die Mitglieder des Bildungsausschusses müssen auf das große Wiedersehen mit ihren schmerzlich vermissten Kol­le­g:in­nen vorerst verzichten. Die für Donnerstag vorgesehene Sitzung fällt ohne Begründung aus. Dabei gäbe es genug zu besprechen. Etwa die Forderung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nach kleineren Schulklassen.

Gut, das fordert die GEW bereits seit Jahren. Da sich der Senat aber ebenfalls seit Jahren keinen Millimeter bewegt, ruft die Gewerkschaft ab Dienstag das noch nicht verbeamtete Personal an Berlins Schulen mal wieder zu einem Warnstreik auf. Drei Tage soll er gehen. Es ist die 15. Arbeitsniederlegung in der Angelegenheit seit 2021.

Auf eine nicht ganz so hohe Schlagzahl kommt das Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen, das sich ebenfalls am Dienstag zum achten Mal trifft. Die Älteren erinnern sich: Das Bündnis wurde 2022 auf Drängeln der SPD aus der Taufe gehoben. Politik, landeseigene Wohnungsunternehmen und private Immobilienkonzerne sollten sich nur feste „unterhaken“, dann klappt das schon mit dem Neubau und den leistbaren Mieten, so der Glaube oder besser: Irrglaube.

Vor einem Monat flog mit Vonovia dann auch der letzte verbliebene private Akteur aus dem Bündnis. Der Konzern hatte mit Blick auf die freiwillige Verpflichtung zum Nettsein gegenüber Mie­te­r:in­nen dann doch eher das „freiwillig“ in den Vordergrund gestellt.

Die verbliebene Schrumpfgruppe will sich nun unter Leitung von CDU-Senatschef Kai Wegner als „Verbändebündnis“ neu erfinden. Hinterher gibt es ein „Gruppenbild“. Möglicherweise winkt auch Vonovia-Chef Rolf Buch in die Kamera. Als Mitglied des Vermieterverbandes BBU bleibe Vonovia ein „wichtiger Partner“ im Bündnis, hieß es schon vorab aus dem Senat.

Nicht ganz so harmonisch dürfte es am Mittwoch in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln zugehen. Auf der Tagesordnung steht vor allem ein Punkt: ein Missbilligungsantrag der CDU gegen Bezirksstadträtin Sarah Nagel. Die Linken-Politikerin hatte im März einen Bericht über rechtsextreme Aktivitäten in Neukölln vorgestellt. Der wurde zwar auf Druck der CDU schon wenige Tage später zurückgezogen und von der Homepage des Bezirksamts genommen (um dann von der taz, dem Servicegedanken folgend, erneut veröffentlicht zu werden).

Die Union kreist trotzdem an der Decke. Konkret wütet sie gegen Passagen, in denen Offensichtliches konstatiert wird – zum Beispiel, dass es in Neukölln ein Milieu gibt, „in dem Nazis, Fußball-Hooligans, AfDler bis hin zu konservativen Akteuren zusammenkommen“. Überhaupt, so die angesprochenen konservativen Akteure, würden in dem 60-seitigen Bericht „einseitige (partei-)politische Positionen vertreten“. Neben den Linken weisen auch die Grünen das Gezeter vehement zurück. Für eine krawallige BVV-Sitzung ist also gesorgt.

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