piwik no script img

Die WocheWie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Erdoğan wird Chef-Kurde, Jogi Löw hat Glück mit seinen Kabinen-Entertainern und Pressefreiheit ist selbst in Deutschland ein minderes Gut.

Wie die Zeit vergeht: seit zwölf Jahren bespaßen Poldi und Schweini die Nationalelf Foto: imago/Ulmer/Teamfoto

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Naja. Der Elfer von Bender.

Und was wird besser in dieser?

Vorfreude aufs Pokalfinale.

Im Deutschlandtrend halten 58 Prozent Außenminister Steinmeier für den besten SPD-Kanzlerkandidaten. Sind wir noch zu retten?

Das ist ein spektakulär guter Wert; ein Jahr vor der letzten Bundestagswahl lagen Steinmeier und Steinbrück im gleichen Umfrageformat bei 27 und 29 Prozent. Der Makel des Außenministers: Ihm stünde das notorische „Weiter so!“ in die Grübchen getackert, und das lesen Wähler gern als „Da können wir auch gleich seine Chefin Merkel wählen“. Und – wie 2013 fehlt der SPD ein plausibler Machtvorschlag. Sie, Linke und Grüne brächten derzeit 42 Prozent an die Urne. Also es bräuchte Dreierlei: Steinmeier, dazu einen Gegenentwurf zu Merkels Politik und ein Bekenntnis zu einer „anderen Mehrheit“. Für diesen Vorschlag spricht ausschließlich, dass es noch viel übler für die SPD nicht werden kann. Sagt man so. Und irrt sich.

Das türkische Parlament hat für die Aufhebung der Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten gestimmt. Zeit, einzugestehen, dass die Türkei ein schlechter Partner ist?

Das erinnert frappant an die Verhaftung kommunistischer Abgeordneter unter dem Vorwand des Reichstagsbrands 1933. So schuf die NSDAP mithilfe der Zentrumspartei – der Vorfahrin der Union – die Nickbude, die Hitlers Ermächtigungsgesetz „parlamentarisch“ segnete. Mit der Brandstiftung hatte die KPD so wenig zu tun, wie man auf die Propaganda trauen kann, die HDP sei für „kurdischen Terror“ verantwortlich. Immerhin bekennt sich Erdoğan selbst zu seiner Abstammung von einer ethnischen Minderheit, den georgischen Lasen, und unterstreicht so den Status der Türkei als Vielvölkerstaat.

Wer also „die Interessen der kurdischen Bevölkerung“ vertritt, vertritt die Türkei in ihren Facetten. Würden kurdisch eroberte Ländereien etwa im Irak der Türkei zufallen, wäre Erdoğan ab sofort Chefkurde. Kurz: Was hätte man sich 1933 als Reaktion vom Ausland gewünscht Wirtschaftliche Strafen, Hilfe für Verfolgte, Aussetzen von Verträgen. Hat niemand gesagt, dass es eine reine Gaudi sei, Verantwortung für die eigene Geschichte zu übernehmen.

Bayer will Monsanto kaufen. Gibt es eine schlimmere Meldung als diese?

Na ja, Monsanto schluckt Bayer? Chinas Staatskonzern Chemchina hat bereits den Saatgutspezi Syngenta aus der Schweiz gekauft – wie auch Pirelli und Krauss-Maffei. Auch die Fusion von DuPont und DowChemical gebiert einen Agrochemieriesen. (Für’s Protokoll: plädiere hiermit für die Schreibweise „Aggrochemie“.) Einzig die Aktionäre straften Bayer für die Lustfantasie ab, für alles in Deutschland und Europa Verbotene eine schmutzige Tochter anderswo anschaffen zu schicken. Heißt: Für eine Alternative zum Fusionsprozess müsste man sich Bayer als altmodische Ökoalternative zum GenSaat-Oligopol denken. Von der Vorstellung wird mir schwindelig. Zwei Aspirin, bitte.

Bundestrainer Löw hat den vorläufigen Kader der Nationalmannschaft für die EM bekanntgeben. Poldi und Schweini sind dabei. Feini?

Die Begründung, warum er einen Sportinvaliden und einen Kabinen-Entertainer mitnimmt klingt, als wolle er der Weltpresse erklären, warum er Fips Asmussen nominiert habe. Egal! Löw hatte mit den Gute-Laune-Reservisten wie Weidenfeller oder Großkreutz bei der WM ein gutes Händchen, und offenbar denkt er in guten Kollektiven und weniger in Leistungsgemetzeln. Also keine Chance auf einen Job bei den Bayern.

Die Wohnungen zweier Fotografen wurden durchsucht, weil sie während der Blockupy-Proteste in Frankfurt Aufnahmen gemacht haben sollen, die zur Aufklärung eines Falls von versuchtem Totschlag betragen könnten. Ist die Pressefreiheit bedroht?

Bemerkenswert, dass die christlichen Kirchen Eingriffe ins Beichtgeheimnis abwenden konnten, als Innenminister Schäuble 2009 qua BKA-Gesetzentwurf ihren Abhörschutz mindern wollte. Auch Ärzte und Psychologen schützt die Schweigepflicht. Wenngleich sie gehalten sind, Wissen um erst noch bevorstehende schwere Straftaten anzuzeigen. Pressefreiheit als minderes Gut im Vergleich zu Kirchenprivilegien ist mal eine ernüchternde Nachricht.

Und was machen die Borussen?

Wir werden Bayerntrainer Guardiola ein ehrendes Angedenken bewahren als Eurythmetiker, der an der Außenlinie die korrekte Bauanleitung für einen leckeren Teller Spaghetti körpersprachlich performen kann.

FRAGEN: CAY, MAHA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!