Die Woche: "Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?"

Guido Westerwelle verhält sich zu Steuerkriminellen wie der Sympathisantensumpf zur RAF. Doch Geiz ist unsexy, findet Friedrich Küppersbusch.

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Allseits duldsames Durchwinken des türkischen Überfalls auf den Nordirak.

Was wird besser in dieser?

Ich erkläre meinen Nachbarn zum Terroristen, haue ihm auf die Fresse und bedanke mich bei Condoleezza Rice für ihre humanistische Haltung.

Ist Kurt Beck ein guter SPD-Vorsitzender?

Vielleicht ein kurzer. Mag sein, dass die Kohl-Merkel-Führungstechnik der meinungsfernen Moderation einen Kopierversuch wert ist. Auch mit Blick auf die erste Spaltung der Sozialdemokratie nach 1919 halte ich es hingegen für gerecht, von Beck Führung und Haltung zu einer politikfähigen Linken zu fordern. Fraktionsgemeinschaft à la CDU/CSU? Regionalabsprachen? Fusion? Kampf bis aufs Messer? Lafontaine verteufeln oder an der Eitelkeit packen? Gysi ignorieren oder respektieren? Oder einfach immer lecker Mittag? Was will der???

Haben Sie genau verstanden, welchen Kurs gegenüber der Linkspartei Kurt Beck eingeschlagen hat?

Nein, ich habe verstanden, auf welchen Kurs Beck eingeschlagen hat. Den, den er jetzt aber doch gut findet. Oder wollen wir ihn einfach "Kurs Beck" nennen? Vielleicht hat er erkannt, dass er als Mann der rein bürgerlichen Koalitionen mit CDU oder FDP die beste Werbung ist, die Wowereit sich wünschen kann.

Wie kann die SPD rational mit der Linkspartei umgehen - und glaubwürdig bleiben?

Bisher höre ich nicht mal einen parteiamtlichen Kommentar zum allfälligen Modegrübeln über ein Fünfparteiensystem. Die SPD wird keine Lösungen finden, wenn sie nicht mal einräumt, ein Problem zu haben. Die rot-roten Koalitionen funktionieren, jedenfalls höre ich von dort nicht solch epochalen Mumpitz wie aus den Versprengtenversammlungen der Linkspartei im Westen. Die 0,5 bis 1 Prozent Stimmen für Mauerfreunde, die die Linke verlöre, entwickelte sie eine gemeinsame Strategie, sind verkraftbar. Koalitionen, wo es das Wählervotum, die Themen und das Personal hergeben - und langfristig Fraktionsgemeinschaften im Auge behalten. Ohne eine Klärung dieser Fragen endet die SPD als strukturelle Knapp-30-Prozent-Partei der aufgestiegenen FacharbeiterInnen und LehrerInnen.

Ist es eigentlich okay, wenn der BND Bankangestellten Daten abkauft, um Steuerhinterzieher dingfest zu machen?

Nein. Aber "Auslandseinsatz in Liechtenstein" hätte die Zahl der Zivildienstleistenden zusammenbrechen lassen.

Von Angela Merkel bis zu Guido Westerwelle sorgen sich viele seit der Liechtensteinaffäre um die Moral der Reichen. Bringt es eigentlich etwas, an das Gewissen dieser Leute zu appellieren?

Westerwelle verhält sich zu den Steuerkriminellen wie der Sympathiesantensumpf zur RAF. Mit dem Unterschied, dass die historischen Sympathisanten humanistische Motive vorweisen konnten. Auch Merkel hat die Blüm-Geißler-Zentrums-Tradition der Union zugunsten der Kirchhof-Merz-Habsucht suspendiert, bis die Wahl sie Besseres lehrte. Wer jedenfalls seit ungefähr der ersten Wende, 1982, mit dem "Lambsdorff-Papier", eine Nation einsingt auf ein einziges Mantra - "Die Steuern sind zu hoch" -, der sollte jetzt nicht noch dümmer tun, als er eh schon ist. Weite Teile des FDP-Programms sind im aktuellen Kontext Anstiftung zu einer Straftat. Ich freue mich jetzt schon auf pfiffige Advokaten à la FDP-Kubicki, die in den dräuenden Strafverfahren vortragen werden, ihre Mandantschaft habe sich sozusagen im neoliberalen Verbotsirrtum befunden oder gleich in putativer Notwehr.

Die SPD redet von modernem Raubrittertum und vergleicht die Steuerhinterzieher mit der Mafia. Ist das nicht Sozialpopulismus?

Die SPD hat als Regierungspartei nicht mehr erklärt, warum Steuern als das Mittel staatlich organisierter Solidarität gut seien. Sondern mit draufgedroschen und damit zum Abbau des Unrechtsbewusstseins beigetragen. Ob man die Steuern nun staatlich senkt - wie die SPD - oder in Eigeninitiative wie zum Beispiel Steuerbetrüger: Es kann eine kaum vermittelte Form von Gewalt bedeuten, wenn dadurch in Kindergärten, Schulen, beschützenden und betreuenden Einrichtungen gestrichen wird. Die sich für links haltenden Parteien haben eine Riesenchance liegen gelassen, ein, wenn nicht niedrigeres, so doch begreifbares simpleres Steuersystem zu lancieren. Nicht nur der Steuersatz kann Unrecht sein, sondern bereits die Tatsache, dass man zahlt, ohne noch ansatzweise verstehen zu können, warum. Allein die Streichung von Ausnahmen wäre eine Demokratisierung, denn wer wenig Einkommen zu versteuern hat, hat auch wenig von Ausnahmen. Steuern vereinfachen und ihre Ziele propagieren, statt sie zu komplizieren und tolle Feindbilder zu liefern: das Gegenteil von Sozialpopulismus, also populärer Sozialstaat.

Mal ehrlich: Kreative Steuererklärungen machen Sie doch auch - oder?

Nö, ich bin doch nicht blöd: Nur dumme Frauen stehen auf Geiz. Bettlern in den Hut zu rotzen ist enorm unsexy auf die Dauer, da sollte man mit 18 durch sein. Weil wir eine Familie ohne Eheprivileg sind, müssten eh Autobahnabschnitte oder wenigstens ein Bundeswehrpanzer nach Sabine, den Kindern und mir benannt werden.

Sind die Reichen heutzutage denn unmoralischer als früher?

Gelegenheit macht Diebe. "Geiz ist geil" war Mainstream neulich.

Und was macht Borussia Dortmund?

Rostock verliert zum zehnten Mal hintereinander im Westfalenstadion. Die Bundesliga kann viel vom Osten lernen.

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