Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Merkel verjüngt, aber regiert nicht, Silvio Chávez droht mit Krieg, und zu Guttenberg will offenbar endlich angreifen.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Nordkorea und Venezuela drohen mit Krieg.
Was wird besser in dieser?
Friedrich Küppersbusch ist Fernsehproduzent und wird von der taz jede Woche zum Zustand der Welt befragt.
Kann man die zusammensperren?
Verteidigungsminister zu Guttenberg möchte gern die Wehrpflicht aussetzen. Setzt er sie danach auch wieder ein?
"Aussetzen heißt abschaffen", schreibt Guttenbergs Vorvorgänger Volker Rühe im Spiegel. Das SPD-Comedy-Konzept "freiwillige Wehrpflicht" ist so gaga wie die derzeitige Praxis der brutalstmöglichen Ausmusterung unseriös. Ein halbes soziales oder eben wahlweise Wehrjahr für Jungs und Mädchen saniert den Sozialstaat und macht Angriffskriege strukturell unführbar. Also offenkundig das Gegenteil von dem, was Guttenberg will.
Die meisten Journalisten stellen Bundeskanzlerin Merkel ein Horrorzeugnis aus, sie verabschiedete sich demonstrativ entspannt in die Sommerpause. Ist die Frau nicht einfach ziemlich cool?
Eine Unternehmer, der binnen zwölf Monaten die komplette Führungsspitze seines Konzerns um 15 Jahre verjüngt, bekäme Orden. Und Orden für den Frauenanteil dabei. Merkel regiert halt nicht, okay, man kann nicht alles haben. Das dafür aber voraussichtlich sehr lange.
Die Linke darf weiter vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Sollte der Staat weiter kostenlose Werbung für diese Partei machen dürfen?
Ich würde das gern als Bonusoption auf Wahlzetteln ankreuzen können, welche Parteien ich gern beobachtet hätte. Bezahle ich ja schließlich auch.
Das Kosovo hat sich zu Recht für unabhängig erklärt. Was heißt das für Nordrhein-Westfalen und den Rest der Welt?
Bisher hat sich Russland nur zur Schutzmacht einer Favela bei Gelsenkirchen aufgeschwungen ("Gib Gazprom, ich will Spaßprom") . Ruhrgebiet und Kölner würden gern auch Düsseldorf zügig in die Unabhängigkeit entlassen, was allerdings für viele hundert Jahre die Toten Hosen als gesetzte Teilnehmer sowohl der Fußball-WM als auch des Schlager-Grand-Prix brächte. Die Aufsplitterung des Balkans gilt traditionell als gute Idee, ohne die etwa der Erste Weltkrieg so gar nicht zu machen gewesen wäre. Das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs, wonach das "Amselfeld" trotz weitestgehender wirtschaftlicher Symbiose mit Serbien unabhängig sein dürfe, schürt Gelüste in Mazedonien, Srpska und drum herum. Wenn man Serben und Russen dabei weiter konsequent brüskiert, mag die Glut wieder zündeln.
Sieben europäische Banken, darunter die Hypo Real Estate, haben den Stresstest nicht bestanden. Stresst Sie das?
Diesen Test bestand jede Bank, die beim nächsten Crash noch "6 Prozent Kernkapitalquote" hätte. Heißt: Banken, die 94 Prozent ihrer Risiken nicht abdecken aus eigenem Kapital. Heißt: Ich leih dir einen Hunderter, und wenn du nicht zurückzahlen kannst, habe ich noch 6 Euro in der Tasche und zahl davon das letzte Bier, bevor wir beide pleite sind. Prösterchen! Großbritannien etwa fordert von seinen Banken derzeit mindestens 9 Prozent Kernkapitalquote, sonst setzt es nämlich eine Staatsbeteiligung.
Hugo Chávez hat per Aktienkauf erst den größten Oppositionssender in seinem Land übernommen und dann Kolumbien fast den Krieg erklärt. Ein Irrer?
Wenn wir uns über einen egomanen Irren aufregen wollen, der TV-Sender gleichschaltet und halbkriminelle Politik macht, haben wir mit dem faschistoiden Schlagerknödel Berlusconi ein weltweit bestauntes Prachtexemplar zum Nachbarn. An dem könnte Europa ja erst mal üben. In Lateinamerika unterstützen die USA Kolumbien bei Operationen außerhalb seiner Landesgrenzen, etwa in Ecuador und, angekündigt, auch in Venezuela. Deshalb gehören Kriegsdrohungen zum Standardrepertoire von Chávez eigener TV-Show "Alo Presidente". Vielleicht sollten Italien und Venezuela zur Strafe tauschen müssen.
Kinder haben in einem Ferienlager andere Kinder missbraucht. Die bayerische Justizministerin Merk glaubt, das Internet sei schuld. Richtig?
Die Verherrlichung bestialischer Foltermethoden ("ans Kreuz nageln"), das völlige Unverständnis einfachster biologischer Vorgänge ("unbefleckte Empfängnis") - da ist der Weg nicht weit vom vermeintlich passiven Konsum zur sexualisierten Gewalt, wie sie in der katholischen Kirche grassiert. Ob Frau Merk mit der Forderung nach Bibelverbot durchkommt?
Was machen die Borussen?
Noch n knapper Monat bis zum Auftakt gegen Bayer Ballack. Ich weise das Labor an, eine Saisonprognose zu erstellen. Nächste Woche mehr. FRAGEN: ALM, DAS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern