Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Von der Eigendynamik einer Gesellschaft mit Helm zum Understatement in NRW. Die Woche mit Friedrich Küppersbusch.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in dieser Woche?
Friedrich Küppersbusch: Googles Eric Schmidt kriegt 100 Mio. $ zum Abschied, Saarlands Peter Müller einen Richterjob.
Was wird besser in dieser?
Tauschen?
Hätte ein anderer Verteidigungsminister diese Woche den Hut nehmen müssen?
Die Guttenbergs haben deutlich mehr zu ihrem Mediendarlingtum beigetragen als brav stillzuhalten. Nun wird sich zeigen, wie naiv sie nur den ersten Teil gelesen haben von "The higher they climb, the deeper theyll fall". Erst mal von "Verleumdung" zu poltern und dann eine Generaluntertuschung anzuordnen, ist bemerkenswert unprofessionell vom Baron. Schon beim "alternativlosen" Luftangriff gegen 200 Zivilisten beim Tanklaster gefielen Unionspolitiker sich in Gedankenspielen, dies dem zivilen Staatsanwalt wegzunehmen und eine eigene Militärgerichtsbarkeit aufzuziehen. Das ist der "Staat im Staate", das ist die Verrohung, das ist die Eigendynamik einer Parallelgesellschaft mit Helm.
FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Am Anfang dieses Weges stand die grüne Flause, keine Wehrpflicht und professionelle Menschenrechtskrieger zu fordern. Und die wahlgeile Geschichtsvergessenheit der SPD. Die könnten der Militarisierung des Landes noch in den Arm fallen. Egal, welcher Nebenerwerbsmonarch gerade Verteidigungsminister ist.
Was hat Ihrer Meinung nach überwogen beim chinesischen Staatsbesuch in den USA, Angst oder Arroganz?
Wie würden sie es halten, wenn Sie der Bankier besucht, bei dem Sie heillos verschuldet sind? Wäre die UdSSR in der Rolle gewesen, wäre es schneller gegangen mit dem "Wandel durch Annäherung". Obama macht das gut.
Ungarn hat diese Jahreshälfte den EU-Ratsvorsitz. Ist Viktor Orbán in dieser Position vielleicht empfänglicher für Kritik an seiner Zensurpolitik?
Ja, auf die Frage der Bild, ob sie in Ungarn verboten würde, schloss Orbán das kategorisch aus. Seitdem mache ich mir echte Sorgen.
Die FDP hat ihre Steuersenkung durchgesetzt: Die Werbungskostenpauschale wurde erhöht. Reicht den Liberalen ein Euro Ersparnis pro Steuerzahler?
Um genau den Satz geht es: "Steuersenkung durchgesetzt". Die FDP hat statt der versprochenen Hausaufgaben sich immerhin ein Hausaufgabenheft von Mutti kaufen lassen und möchte dafür eine eins. Die Kernzielgruppe ihrer Fiskalpolitik sind Hartz-Empfänger, die zugleich Hotelbesitzer sind, da geht die Steuersenkung weit über 5 Euro.
Familienministerin Kristina Schröder ist ihrem politischen Auftrag nachgekommen und ist jetzt schwanger. Bleibt sie Ministerin?
Ich weiß nicht, was alles geschrieben würde, wenn eine 31-jährige, frisch verheiratete Frau Familienministerin wäre und keine Kinder bekäme. Ab dem fünften würde ich es spannend finden, bei der Taufe spielt die Orgel "I walk the Leyen". Erst mal: kein Thema, viel Glück!
Die Finanzen in NRW sind chaotisch - ob wegen der neuen oder der alten Regierung. Sie wären doch trotzdem ein Anlass nach Neuwahlen zu rufen. Warum tut's keiner?
Röttgen hat versprochen, seinen Job im Bundeskabinett aufzugeben, wenn's ernst wird. Die FDP hat ihr komplettes Promipersonal verloren, und wenn Landeschef Lindner ran muss, fehlt schon wieder ein Generalsekretär im Bund. Also müsste sich die zweite Riege eine Klatsche abholen, die laut Umfragen für Schwarz-Gelb in NRW ansteht. Grün hingegen kann sich mindestens freuen, noch vor dem warmen Abwind ihrer Höchstwerte ins Landesparlament zu surfen. Zudem ist der Hype um die Piratenpartei vorbei. Wer Piraten ankreuzte, brachte die Linkspartei ins Spiel.
Und wie im Ruhrgebiet üblich: Es dauert einige Zeit, bis wir an unsere eigene Kraft glauben. Unsere heißt Hannelore und merkelt sich gerade ins Inventar: Ist da, stört keinen, macht keine Angst. Rüttgers hat seinen rekordverschuldeten Haushalt dunnemals mit dem Fiasko der Vorgänger begründet wie Kraft/Löhrmann nun den ihren: Düsseldoof und Spaß dabei.
Glauben Sie an eine demokratische Revolution im Maghreb?
Glauben reicht nicht. Diese fadenscheinige Haltung "Wir sind gegen Diktaturen, die nicht vernünftig funktionieren" fliegt Europa irgendwann um die Ohren. Warum nicht jetzt?
Was machen die Borussen?
Mario Götzes erster Heimspieltreffer und das anhaltende Lob des Bundestrainers versetzt mich in eine aussichtsreiche Lage: Ich habe ein Mannschaftsfoto der Mini-Kicker-Mannschaft von Eintracht Hombruch 1997, da ist er sechs, und ich schreibe jetzt mit Edding heimlich drauf: "Das wird mal einer!" Nie wieder darf meine Kompetenz angezweifelt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren