Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Chinas verschuldete Kritiker, die E10-Marsmännchen an der Tanke und der Dalai Lama der FDP.
W as war schlecht vergangene Woche?
Ich habe es nie verstanden, wenn Leute mit dem "Ja, aber Frau !"-Argument Merkel wählten.
Was wird besser in dieser?
Künast.
Der designierte FDP-Chef und Gesundheitsminister Philipp Rösler soll es richten. Kann er das?
Hat er schon. Er ist mit 38 oben, und der Arzt, der nie eine Praxis hatte, löst den Juristen ab, der mal beim Papa in der Kanzlei half. Die typische Parteipolitiker-Biographie hat sich umgekehrt: Erst Politkarriere, dann vielleicht noch ein einträglicher Job, wie Koch oder Berninger oder viele. Ein Vietnamese, ne Ostfrau, ein Schwuler, und ein Rollifahrer: Gegen den Cast wäre es langweilig, eine Regierung zu haben, die nur gerechte Politik für Frauen, Flüchtlinge, Behinderte und Diskriminierte macht. Rösler kam als Kriegswaise nach Deutschland, Geburtsdatum und Eltern unbekannt. Nennen wir ihn den Dalai Lama der FDP. Der Rest war offenbar Liebe und Chancengleichheit - wenn er das weiss, ist er ein Gewinn.
FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Die FDP hatte für die Anliegen der Atom-, Pharma- und Hotelbranche ein offenes Ohr. Das hat ihr den Vorwurf der Klientelpolitik eingebracht. Jetzt liegen die Liberalen bei drei Prozent. Den Lobbyisten kann das nicht recht sein. Waren sie zu erfolgreich?
Kopfpauschalen-Rösler will das soziale Profil einer Partei fördern, die zur Zeit für und gegen Atomkraft ist und keine Soldaten nach Libyen schickt - außer den Soldaten, die sie nach Libyen schickt. Die FDP hat sich seit 1982 auf Wirtschaftsinteressen zusammengedampft, und das erste Interesse der Wirtschaft bleibt, bei jedem Business dabei zu sein. Eine moralfreie Sphäre kann keine moralische Partei gebrauchen, die FDP macht alles richtig und lässt Platz für eine moralliberale Partei - die seit 1983 im Bundestag sitzt. Rechtsradikalismus würde die Exportgeschäfte stören, Westerwelle und seine Jungschar können nicht haidern, und dafür: Danke.
Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach versucht verzweifelt, sich von Neonazis zu distanzieren und gleichzeitig Gegner mundtot zu machen - sie schwingt die Phädophilenkeule. Warum wundert uns bei dieser Frau nichts mehr?
Wenn sich Frau Steinbach ernsthaft von Rechtsextremismus distanziert, wird sie schizophren. Nicht reagieren, lange Spaziergänge (Schlesien?), sexuelle Obsessionen im Auge behalten, gegebenenfalls medikamentös neu einstellen.
Die Autofahrer haben sich durchgesetzt: Ihr Boykott des Biokraftstoffs E10 lässt die Mineralölkonzerne einlenken, Marktführer Aral etwa bietet wieder das gewohnte Superbenzin an. Woher kommt der Widerstand der Fahrer?
Die Bundesregierung ist das Marsmännchen, das an einer Tanke gelandet ist und die Zapfsäule anschreit "Nimm den Finger aus dem Ohr, wenn ich mit Dir rede !" Die Autohersteller bringen den CO2 - Wert ihrer Flotten nicht runter, also sollte das Problem auf die Mineralölhersteller verschoben werden. Beide zusammen - Autokonzerne und Tankstellenketten - haben dann konsequent null informiert, und prompt lehnen verängstigte Autobesitzer den ganzen Quatsch ab. Alles auf null und von vorne.
Nach Griechenland und Irland hat die Europäische Union mit Portugal nun ihren dritten Kostgänger. Wann fällt Spanien?
Egal. Entweder machen die Regierungen den geforderten Sozialabbau - oder sie fliegen raus und die EU-Währungshüter machen ihn. "Die Menschen müssen verstehen, dass wir sparen, damit wir in Zukunft in die Sozialpolitik investieren können" sagt etwa Luxemburgs Finanzminister. Der Satz wäre gut, wenn er nicht umgekehrt genau so funktionieren würde: Wir müssen in die Sozialpolitik investieren, sonst kollabieren die Gesellschaften. Die EU als Bank mit menschlichem Antlitz ist eine Fehlkonstruktion.
Der chinesische Künstler Ai Weiwei wurde in seiner Heimat festgenommen. Warum ist Chinas Regierung so nervös?
Die ist ganz entspannt. Alle, die sie kritisieren müssten, haben gerade reichlich Schulden bei China.
Über 24.000 Fans werden bestraft, weil ein Anhänger sich nicht im Griff hatte: So sehen es die St.-Pauli-Fans und laufen Sturm gegen das vom DFB verhängte Geisterspiel. Auf wessen Seite stehen Sie?
Für St. Pauli ein angemessen skurriles Ereignis, und dort wird man wenig Mitgefühl haben mit einem, der von einem Becher Bier schon umfällt.
Und was machen die Borussen?
Cool, wen die Bayern noch alles zum Pausentrainer machen, bevor sie dann Kloppo doch nicht kriegen.
FRAGEN: CAK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Lateinamerika und Syrien
Assads Freunde