Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Die Linke schreibt Krempel, Angela Merkel hat keine Haltung, meint das aber nicht böse - und der Nachfolger von Leo Kirch steht schon bereit.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: US-Republikaner bringen lieber den Dollar um, als Obama zu unterstützen.
Was wird besser in dieser?
Obama leiht sich 50 Dollar beim Dalai Lama, China tritt den Republikanern bei.
Nach Fukushima hat die Kanzlerin so schnell ihren Atomkurs geändert, dass einem fast schwindelig werde konnte. Dieses Gespür für den Mehrheitswillen scheint sie nun verlassen zu haben. Gerade macht sich Merkel zur Cheflobbyistin der deutschen Rüstungsindustrie. Typisch für die Bundeskanzlerin?
Seit wann ist die Sozi? Die Exportgenehmigung stammt noch aus der Zeit der großen Koalition, deshalb war auch Reeder Lürssen schon mit in Angola - ein großer Kulturförderer in Bremen und "Aber die Arbeitsplätze"-Patrouillenbootbauer. Prompt kritisiert die SPD den Zeitpunkt des Deals als "starkes Stück, mitten in der Sommerpause", nicht jedoch den Deal selbst. Inzwischen liest man, die Boote sollten Off-shore-Windkraftanlagen und küstennahe Ölvorkommen verteidigen, örtliche Piraten oder Raubfischer aus Europa verjagen. Wie konnte Angola bisher ohne sie überleben? Merkel naturwissenschaftet da einfach rum, wenn es so nicht geht, ändert sie halt die Versuchsanordnung. Sie hat keine Haltung, meint das aber nicht böse.
ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Thomas Gottschalk übernimmt ab Januar 2012 viermal die Woche eine halbstündige Liveshow im "Ersten". Wird das was?
Vom Claim "Die Asse der ARD" zu den neuen Stars würde ich abraten; "Asse" hat halt doch was von Endlager und nicht ganz dicht. Ein typisches Gottschalk-Interview geht so, dass er dem Gast alle Antworten schon mal vorsprudelt, um so das Risiko zu mindern, dass der etwas oder gar etwas Unkontrollierbares sagt. Das war okay bei "Wetten, dass ..?", wo Antworten die Kirmes nur aufgehalten hätten. Ein Format aus solchen Interviews zu "allen Themen, die es nicht in die ,Tagesschau' geschafft haben" - wow. Das hat was von TV Taliban.
Leo Kirch war bis zur eigenen Insolvenz einer der mächtigsten Medienunternehmer in Deutschland. Nun ist er tot. Wer könnte sein würdiger Nachfolger werden?
Mathias Döpfner ist schon da. Er hat dem Springer-Konzern den Maximalparasiten Kirch vom Hals geschafft und schickt sich an, Trümmer von dessen früherer TV-Gruppe zu kaufen. Die allseits beargwöhnte Bild-Kampagne gegen die ARD lässt schon mal dran fühlen, wie ein Doppelmonopol von rechts aussehen kann. Davon hat Kirch, sehr offensiv, am Ende doch nur geträumt.
Mit ihrem ersten Grundsatzprogramm will die Linke aus der Krise kommen. Doch kann sie mit dem Entwurf einer solidarischen Bürgerversicherung auch für mehr Gesundheit in den eigenen Rängen sorgen?
Die Linke lebt aus einer kruden Mischung von Law-and-Order-Nostalgikern und linken Maximalforderungen. Deshalb finde ich es gut, wenn sie den ganzen Krempel mal aufschreiben und gucken, ob es in der Summe Sinn macht. Die zentrale Forderung nach einer "anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung" ist kein Monopol von Neoliberalen, die nicht lange Programme schrieben, sondern das Land längst gründlich verändert haben. Was ich bisher gelesen habe, wirkt wie der Jurassic Park der SPD vor Godesberg.
Österreich will seine Nationalhymne ändern, um nicht nur die großen Söhne, sondern künftig auch die großen Töchter zu preisen. Sieht so Gleichberechtigung aus?
Die "Marseillaise" bietet gleich in der ersten Strophe "geköpfte Söhne und Frauen", weswegen manche Franzosen sie textlich befrieden wollen. Putin hat Russland einen neuen Text ( "Russland, unsere heilige Staatsmacht" ) zur alten Sowjetmelodie verordnet. Unsere erste Strophe ist wg. "über alles" und "Maas, Memel, Etsch, Belt" degoutant. Und die Niederländer hadern im ihrem "Wilhelmus", weil der sich in der zweiten Zeile zu seinem "deutschen Blut" bekennt. Zum Glück verboten ausgerechnet die deutschen Besatzer den Kantus, weiBildl es darin auch gegen die "Tyrannei" ging, und so singen sie heute am liebsten diese sechste Strophe. Interessant, ne?
Und was machen die Borussen?
Das Suchwort "Scheiße" bei Google Maps ergab Mitte der Woche als erste Fundstelle die Geschäftsstelle von Schalke in der Ernst-Kuzorra-Straße. Zwei Tage drauf ergab "Suche Irrenanstalt" ein hübsches Satellitenfoto der SÜD des Westfalenstadions. Google selbst kann sich das nicht so recht erklären, und derzeit ergibt "suche: Scheiße" auch wieder das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Klimaschützer zu Wahlprogrammen
CDU/CSU und SPD fallen durch, Grüne punkten nur wenig
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge