Die Wahrheit: Immer wieder Anna
Neues aus Neuseeland: Es gibt diesen neuen Typus weiblicher Herostraten, die aus Großfrausucht überall in den Medien sind, jetzt auch down under.
U nvergessen ist Anna Sorokin, die Deutschrussin, die als Hochstaplerin Anna Delvey die New Yorker High Society betrog, die Kunstwelt betörte und im Knast landete – 2022 verewigt in einer Netflix-Serie. Vielleicht ist der Vorname kein Zufall, sondern ein Zeichen. Denn auch in Neuseeland gibt es eine Anna, die es schafft, sich immer wieder in die Schlagzeilen zu bringen.
Das letzte Mal war es vor drei Wochen auf der Medienplattform Stuff. Die Zeile lautete: „Kiwi film-maker Anna Wilding loses future home in LA fires.“ Das ist bemerkenswert. Nicht die Nachricht selber, die keine ist – denn besagte Anna hat kein Haus bei den Bränden in Los Angeles verloren, sondern nur ein geplantes. Das nicht mal ihr eigenes war, sondern das sie mieten wollte. Irgendwann. Denn sie lebt vier Stunden von Los Angeles entfernt.
Da Neuseelands Presse aber stets krampf- und komplexhaft einen Zusammenhang zwischen großen Weltereignissen und unserer kleinen Pazifiknation herzustellen versucht, kommt es zu solchen Überhöhungen bis Verdrehungen, die angesichts derer, die ihr Hab und Gut in Los Angeles verloren haben, mehr als peinlich sind. Und nur einer notorischen Selbstdarstellerin nutzen.
Anna Wilding ist weniger als Filmemacherin als für ihren Größenwahn bekannt – und für ihre juristischen Klagen. Um nicht in ihre Schusslinie zu geraten, berufe ich mich lieber auf das, was mein Kiwi-Kollege David Farrier (der in der Tat in LA lebt) über sie enthüllt hat. Eines kann ich mit Sicherheit behaupten: Das zukünftige Brandopfer leidet nicht am „Tall Poppy“-Syndrom, das Kiwis davon abhält, ins eigene Horn zu blasen.
„Sie fügt ihr Narrativ in den Mainstream ein, bis Leute daran glauben“, schreibt Farrier und dokumentiert, wie sie sich als angeblicher Hollywood-Star oder als potenziell Betroffene im Weinstein-Skandal in die Öffentlichkeit bugsiert hat – und dass sie den Penguin Verlag verklagte, weil der ein Porträt für Barack Obamas Biografie verwendete, das angeblich einem von ihr geschossenen Foto des Ex-Präsidenten ähnlich sah.
Die Beispiele wilder Behauptungen, mit denen Wilding es stets in die Öffentlichkeit schafft, füllen Blogseiten. Eigentlich sei das harmlos, meint Farrier – „aber es ist ihre Manipulation der Medien, die zugleich fasziniert und Furcht einflößt“. Im Jahr 2004 reichte die klagefreudige Meisterin der Selbstpromotion Beschwerde beim Presserat ein, weil Christchurchs Tageszeitung The Press sich geweigert hatte, sie auf Heimaturlaub mit einer Story zu beehren.
Sie scheiterte damit. Auch den Kampf um ihren aufgemotzten Wikipedia-Eintrag verlor sie. Nachdem sie sich mit Wiki-Redakteuren wegen Farriers Enthüllungen bekriegt hatte, wurde die englischsprachige Seite kurzum entfernt. Auf ihrer eigenen Webseite behauptet sie nun, dass der Großteil ihrer Arbeit „altruistisch“ sei. Jetzt fehlt nur noch die Netflix-Serie über Anna.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!