Die Wahrheit: Bezahlkarte lacht, bis es kracht
Nach den Bauernprotesten: Ampelspitze einigt sich auf neuen Auszahlmodus für die Landwirtschaft. Die schrunden Bauernpranken werden es danken.
Dienstag, der Saal der Bundespressekonferenz ist gut gefüllt. „Statt wie bisher in Geldsäcken, werden den Bauern künftig sämtliche Subventionen als Bezahlkarte ausgehändigt“, teilt Bundeskanzler Scholz (SPD) gewohnt bündig mit. „Wir wollten sie doch Jammerbauern nennen, Olaf“, frotzelt sein Vizekanzler Habeck. „Genau, Jammersäcke. Wollte ich auch gerade anmerken“, so Pfuinanzminister Christian Lindner (FDP), der neben Scholz und Habeck ebenfalls mit von der Pressepartie ist.
Die wichtigsten Gründe für die Einführung der sogenannten Bauernkarte fasst das Ampeltrio dann so zusammen: Kein nervtötendes Kramen mehr mit schrunden Bauernpranken nach passendem Münzgeld an der Kasse vor allem bei Aldi. Keine vergessenen Scheine mehr in der Wäsche. Und kein Klimpergeld in ausgebeulten Manchesterhosentaschen, das dann wieder aus Versehen ans Vieh verfüttert wird.
Ein Punkt, über den sich auf einer spontan einberufenen Treckerblockade an einer Autobahnauffahrt im brandenburgischen Gurkengürtel sofort Joachim Rukwied vom Dummebauernverband (DBV) empört: „Weil wir Bauern die Redensart ‚Geld wie Heu‘ angeblich nicht richtig verstanden haben, oder was?“, ruft der kämpferische Bauernführer seinen Mitstreitern zu, die ihm lautstark zuhupen.
„Was heißt hier angeblich?“, hält Scholz dem wenig später entgegen, was in der Bundespressekonferenz große Heiterkeit bei der „Strohpresse“ auslöst, wie sich die Berliner Journaille im Zusammenhang mit Landwirtschaftsthemen inzwischen schon mal scherzhaft nennt.
Gummistiefelige Jammertypen
Apropos Blockade: „Die Bezahlkarte funktioniert natürlich nur im ländlichen Raum, damit unsere Landwir… äh, diese gummistiefeligen Jammertypen nicht mehr ständig in die Städte getreckert kommen“, so Scholz verschmitzt. „Es sei denn, sie legen es drauf an, dort zu verhungern“, fügt er noch verschmitzter hinzu. „Wenn sie nicht vorher schon verdurstet sind“, so Lindner trocken, worauf sich Habeck fast einzunässen scheint vor krampfhaft unterdrücktem Gegackere.
Doch hat sich der Wirtschaftsminister schnell wieder im Griff: „Mit der Bezahlkarte für die Jammerlappen senken wir nicht nur die Belastung ihrer Geldbörsen, sondern unterbinden auch die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung nach Polen, Thailand oder auf die Philippinen zu überweisen – oder was auch immer die Herkunftsländer ihrer Ehefrauen sind. Man kennt das doch aus ‚Bauer sucht Frau‘. Außerdem bekämpfen wir so die STVO-verachtende Schlepperkriminalität, wie ich mal den Traktorterror der letzten Wochen etwas nachdenklicher nennen möchte“, sagt der grüne Spitzenmann. „Vielleicht eine Spur zu nachdenklich“, wie der Korrespondent von Agrar heute später vermerken wird.
Wo nötig, könne der Einsatz der Geldkarte lokal beschränkt werden, führt Habeck weiter aus. Die betroffenen Bauern dürften dann nur noch im örtlichen Raiffeisenmarkt und an der nächsten Tanke einkaufen. So wolle man unnötige Ausgaben verhindern wie etwa die bei Milchbauern verbreitete Unart, ihren Lieblingskühen beim Melken teure Geschenke zu machen, mit denen sie ihre Frauen nie erfreuen würden – „um die Erträge zu steigern, wie sie dann solche ‚betrieblichen Ausgaben‘ frech beim Finanzamt begründen“, ergänzt Lindner. „Dabei geht es ihnen doch bloß um die Freude an der Arbeit, die sie in Wirklichkeit aber gar nicht haben. Würden die sonst alle AfD wählen?“, fragt Scholz, jetzt irgendwie grimmig.
Da sie guthabenbasiert sei, könne die Bezahlkarte von den Bauern nicht überzogen werden, so Habeck darauf unverhohlen höhnisch. „Was die in manch landwirtschaftlicher Einöde hemmungslos betriebene Glyphosatsauferei auf Deckel künftig unmöglich macht“, weiß Lindner diesen Aspekt noch weiter zu vertiefen.
Niedersächsische Mandarinen
„Gleichzeitig wollen wir den Landwir… äh, Jammerlappen die Aufnahme einer regulären Arbeit erleichtern. Sie sollen möglichst rasch aus dem Subventionsleistungsbezug herauskommen“, lässt sich Scholz noch kurz vernehmen, ehe er Leine zieht: „Ich muss noch einkaufen. Bei Rewe gibt es mexikanische Paprika im Angebot.“ Ob er nicht lieber regionale Produkte kaufen wolle? „Niedersächsische Mandarinen vielleicht?“ Dröhnendes Gelächter im Presserund.
Die Bezahlkarte habe durchaus das Potenzial, „die Bauern zur Umschulung auf was Ordentliches zu bewegen.“ So wird später Landwirtschaftsminister Cem Özdemir zitiert, der – wie immer, wenn es um die Belange der Landwirtschaft geht – nicht in die Beratungen der Ampel eingebunden ist. „Wer etwa jahrelang auf einem Melkkarussell Dienst geschoben hat, dürfte problemlos auf der Kirmes anheuern können – als Karussellbremser etwa. Oder als einer dieser Ticketeinsammler, die ich immer so bewundere, wenn ich sie auf dem Wasen bei voller Fahrt auf die Raupe springen sehe.“ Dazu hält der Grüne ein Schild hoch: „Jungbauer zum Mitreisen gesucht“.
Die Opposition indes zeigt sich wenig begeistert. „Bauernneppende Schikanen wie die Bezahlkarte sind in keiner Weise geeignet, die Landfluchtanreize aus der Fläche in die Städte zu erhöhen“, lässt Friedrich Merz wenig später mitteilen. „Der ungebrochenen Beliebtheit des Bauernberufs werden sie jedenfalls nichts anhaben. Zu groß ist der Pullfaktor Treckerfahren, als dass gerade auch die jungen Landsleute darauf verzichten würden wollen, Agrarier zu werden“, so der CDU-Chef.
Außerdem, so der Oppositionsführer weiter, gebe es ja wohl genug Tier- und Pflanzenarten hierzulande, die noch nicht ausgerottet seien. „Auch von daher“, so Friedrich Merz, „bleibt noch genug zu tun für die deutsche Landwirtschaft.“ Egal, ob subventioniert oder nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!