Die Wahrheit: Irlands Halloween-Horrorshow
Heute ist Kommerz und Kürbis, aber früher war Befreiung, Terror und der Staat. Und alles an Halloween!
Halloween ist überstanden! Eine besondere „Halloween-Horrorshow“, wie die Medien es weltweit nannten, fand vor 50 Jahren statt. Am 31. Oktober 1973 landete ein Hubschrauber im Hof des Mountjoy-Gefängnisses in Dublin. Im Handumdrehen sprangen der Stabschef der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), Seamus Twomey, und seine beiden Stellvertreter J. B. O’Hagan und Kevin Mallon an Bord. Als der Hubschrauber abhob, schrie einer der Gefängniswärter: „Schließt die Tore!“
Mein Schwiegervater John Lyons hatte den Hubschrauber für „Luftaufnahmen von Dublin“ gemietet, zwei andere IRA-Männer zwangen den Piloten zur Landung im Gefängnishof. Die drei Gefangenen wussten Bescheid, weil John als Dachdecker im Gefängnis jobbte und einen ausgehöhlten Tennisball mit den Informationen in den Hof geworfen hatte.
Nach der Flucht versteckten sich die drei Männer im Haus einer Tante meiner Frau Áine im Dubliner Stadtteil Glasnevin, doch nach ein paar Wochen zogen zwei Gefängniswärter ins Nachbarhaus. So mussten die drei für ein paar Tage auf dem Dachboden bei meinen Schwiegereltern wohnen, bis meine Schwiegermutter das Haus gegenüber von einer Bekannten mietete.
Ich hatte 1976 einen Job als Deutschlehrer an einer Schule in Belfast. Eines Abends lernte ich in einem Pub Rosaleen kennen, die Frau von Twomey. Wir trafen uns danach öfter im Wirtshaus. Sie hatte keine Ahnung, wo ihr Mann war. Áine hatte natürlich mitbekommen, dass auf dem Dachboden über ihrem Zimmer vorübergehend jemand wohnte, aber da ihr Vater bereits in den vierziger Jahren wegen eines IRA-Überfalls auf ein Armee-Fort zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden war, stellte sie keine Fragen.
„Geht dich nichts an“
Als Áine und ich im April 1977 heirateten, lud ich Rosaleen zur Hochzeit ein. Sie kam aber nicht und erklärte später, dass sie gerade den Zug nach Dublin nehmen wollte, als IRA-Männer sie abholten und zu einem Feld im Süden der Insel fuhren, wo ihr Mann wartete. Sie sagte zu ihm, dass er ihr ein schönes Fest verdorben habe und zeigte ihm die Einladung. Er wollte unbedingt wissen, woher sie diese Leute kannte. „Geht dich nichts an“, antwortete sie. „Du bist auf der Flucht, und das sind meine Freunde.“
Wenig später verstanden wir, warum er sich so aufgeregt hatte. O’Hagan und Mallon waren bereits 1975 geschnappt worden, Twomey wurde im Dezember 1977 in Dublin verhaftet, und meine Schwiegereltern ebenfalls, weil sie das Haus gemietet hatten. Aber ihnen konnte man nichts nachweisen. Twomey war davon überzeugt, dass jemand geplaudert hatte, weil seine Frau ausgerechnet bei den Leuten, die ihm zur Flucht verholfen hatten, zu einem Fest eingeladen worden war. Es war aber ein reiner Zufall, wie er vermutlich nur in Irland oder bei Wilsberg vorkommt.
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Leser*innenkommentare
Sikasuu
Forrest Gump auf Irisch-Gälisch! :-)
Ist schon verrückt wie das Leben so spielt & Man(n), ohne es genau zu wissen, mittelbar an Dingen teilnimmt, die Weltgeschichte werden!
Danke für diese "Home-Story" Ralf! (Das ist positiv gemeint)
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Ps. Planst du vielleicht eine Autobiografie?
Mit Blick auf das Datum 1954 solltest du jetzt damit anfangen!
Du hast wohl VIEL mehr, als in diesem Betrag zu erzählen! Wird sicher ein wenig länger als die Texte hier & bestimmt sehr interessant! :-)
Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB, Autor des Artikels
@Sikasuu Vielen Dank! Aber für eine Autobiografie bin ich noch zu jung. Gruß aus Irland!
Willi Müller alias Jupp Schmitz
@Ralf Sotscheck Hallo Ralf - Jungspund sondergleichen (1 Jahr weniger als ich), zu erzählen hätten wir (uns) einiges, aber Autobiographie?
Da gibt's andere...
Gruß aus somewhere from the Bodensee - temporär!
Willi Müller alias Jupp Schmitz
Ich hoffe, die Gefangenenbefreiung ist verjährt. Sonst müssen wir Dir nachher noch Orangen wegen Gefangenenbefreiung in zweiter Generation (Erbschaft, ick hör dir trapsen) in den Knast schicken...
Die Welt ist klein - und -
"Schließt die Tore!“