Die Wahrheit: Irgendwas mit Partner
„Wer gar nichts wird, wird Betriebswirt“: Gewappnet mit historischen Weisheiten der Vorfahren, hält die Arbeitswelt mannigfaltige Erfahrungen bereit.
J etzt im Frühjahr sollten sich junge Menschen ernsthaft Gedanken über ihre Berufswahl machen. In der alten Zeit war man ja auf mündlich überliefertes Wissen angewiesen. Die Großeltern etwa informierten in Reimen: „Pastors Kind und Lehrers Vieh geraten selten oder nie.“ Unsere Lehrer hatten allerdings gar kein Vieh. Hilfreicher waren die Weisheiten meines Vaters: „Wer nichts wird, wird Wirt“ oder krasser: „Wer gar nichts wird, wird Betriebswirt“. Ergänzt von der Tante: „Ist ihm auch das nicht so gelungen, so macht er in Versicherungen.“
Gewappnet mit diesem Schatz an Knowledge ließ man mich den ersten Bürojob machen. Auf Anhieb schaffte ich es in den Rang einer Rezeptionistin einer großen Kanzlei. Die Besucher reichten mir ihre Visitenkarten und erwarteten, dass sie erwartet wurden. Das Telefon war schon erfunden, sodass ich bequem die jeweiligen Kontaktpersonen anrufen und den Besuch in die Besprechungszimmer dirigieren konnte.
Asiatische Besucher hatten die besten Titel. Unter „President“ und „Chief Deputy Executive Director“ lief da gar nichts. Beeindruckend. So etwas wollte ich auch einmal werden. Doch noch war ich mit Bürobestellungen aller Art beschäftigt. Häufig wurde sich beschwert, dass der Seifenspender bei den Damentoiletten leer sei. Insgesamt etwas langweilig, interessant nur: im Laufe meiner Tätigkeit dort beklagte sich kein einziger Herr jemals über einen leeren Seifenspender. Keine Sorge, es war vor langer Zeit.
Alles easy, bis eines Tages zwei etwas blasse, schweigsame Männer erschienen. Auf deren Karten stand „Partner“. Name der Firma waren drei schlichte Konsonanten, wahrscheinlich Versicherungsvertreter. Ich ließ sie am Gangende warten. Partner, hehe, so stellten manche Leute ihren Freund vor. Nach einer Weile entdeckte mein Chef sie und war hernach gar nicht mehr gut auf mich zu sprechen. Mein Aushilfsvertrag wurde stark verkürzt.
Viel, viel zu teuer
Warum? Weil „Partner“ Superchefs und Teilhaber von Beratungsfirmen im Wirtschaftsrecht sind. Die vier Wichtigsten werden fancy „the Big4“ genannt und Konzerne stehen Schlange, damit sie ihnen die Jahresbilanzen prüfen. Solche Experten erhalten Stundensätze von Hunderten von Euro und Extras. Natürlich hätte ich sie nicht warten lassen, wenn ich das gewusst hätte! Viel zu teuer.
War übrigens immer recht lustig, wenn meine Tante sagte, dass sie die Berufe der jungen Leuten gar nicht mehr kapiere. Aber wer versteht die schon noch heute, in Zeiten des Homeoffice? Ist es ein Beruf, sich zu Hause eine Kamera auf den Mundraum zu richten und Sachen zu sagen, wie „gerne zeitnah“, „genießen Sie es“ und „am Ende des Tages“?
Im Jobcenter würde ich bei Berufswünschen jedenfalls „irgendwas mit Partner“ angeben – und dann einfach mal so gucken, was offeriert wird. Im Rahmen des Fachkräftemangels und der Work-Life-Balance vielleicht ja wenigstens ein gemütliches Kuschelsofa für daheim.
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