Die Wahrheit: Vom Kreuchen und Fleuchen
Phobien gibt es so viele wie unansehnliche Spinnenarten. Doch manche dieser Ängste lassen sich überwinden.
D rei Phobien gibt es, unter denen ich leide oder litt wie ein Hund. Nein, die Kynophobie zählt nicht dazu. Hunde sind fein. Dafür bin oder war ich trypophob, thalassophob und arachnophob. Mit der Thalassophobie komme ich gut zurecht. Ich bade auch in trüben Teichen oder Flüssen, deren Grund ich nicht sehen kann. Kein Problem. Was in Ozeanen so alles vor sich geht, geht mich nichts an. Sagen wir es so: Physisch bringe ich alle Voraussetzungen für eine triumphale Ärmelkanaldurchschwimmung mit. Psychisch nicht so.
Erfolgreich zu den Akten legen konnte ich meine Angst vor Spinnen. Mehr noch, es hat sich zwischen mir und den achtäugigen Achtbeinern eine solide Partnerschaft entwickelt. Was womöglich daran liegt, dass in einer Waldhütte, wie ich sie mein eigen nenne, schlechterdings alles kreucht und fleucht, was acht Beinchen zum Kreuchen und Fleuchen hat.
Anfangs, ich räume es ein, fremdelte ich ein wenig mit all den Gartentrichterspinnen, Hauswinkelspinnen, Kreuzspinnen. Inzwischen weiß ich, dass ich gegen die winzigen Kameradinnen ohnehin keine Chance habe. Mehr noch, sie halten mir anderes Krabbelgetier zuverlässig vom Leibe. Also lernte ich, sie zu preisen, und wandelte mich vom Arachnophobiker zum Arachnologen. Statt unter spitzen Schreien Maximalabstand zwischen mich und die Spinne zu bringen, beuge ich mich interessiert über die fleißige Mitbewohnerin. Ah, da verzehrt sie gerade ein Männchen! Sieh an, alle Scheißhausfliegen verputzt!
Besonders lieb ist mir, weil sie mich an mein früheres Verhalten erinnert, die Zitterspinne. Sitzt in der Ecke und zittert, sobald ich sie anpuste. Auch lieb habe ich die Zebraspringspinne, der Rauhaardackel unter den Achtbeinern. Sie sieht auch unter der Lupe nett aus, ich nenne sie kumpelhaft „Spider Bro“, obwohl es vermutlich eher eine „Sis“ ist. Es lebe das Matriarchat! Wenn ich alte Netze entferne, dann nur als Immobilienmarktbereinigung – damit frische Spinnen einen neuen Netzplatz finden.
Erst unlängst konnte ich im Orchester meiner Freundinnen eine Zuwandererin begrüßen. Leider macht sie ihrer diskriminierenden Fremdzuschreibung als „Nosferatu-Spinne“ alle Ehre. Sie ist der Pitbull – oder eher die Hornisse – unter den Spinnen und weist zudringliche Kennenlern- und Streichelversuche entschieden zurück. Die Schwellung wird sicher bald abklingen, und dann verhandeln wir nochmal, wem das Sofa gehört. Gerne lasse ich mit mir reden.
Was ich vermutlich nicht überwinden werde, ist meine Trypophobie. Vor einer Anhäufung unregelmäßiger Löcher empfinde ich Angst, Ekel, Abscheu. Es ist ganz schlimm, wirklich. Wer möchte, kann den Begriff ja einfach mal im Internet suchen – so als Selbsttest. Sie werden überrascht sein! Oder auch nicht, dann können Sie sich sehr glücklich schätzen. Besser noch, Sie suchen gar nicht erst danach.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Autounfälle
Das Tötungsprivileg