Die Wahrheit: Ich im Fernsehen, Mutter davor

Des Sohnes neue Kleider: Was bloß anziehen, tritt man im Fernsehen live mit einem Buch auf, und Muttern guckt zu?

Das neue Buch brachte mir eine Einladung ins Fernsehen ein. Genauer: Ins ZDF-„Mittagsmagazin“, das sie allen Ernstes „Mima“ nennen. Das beeindruckte sogar die Kinder, denn das Pendant dazu, das „Moma“, gucken sie immer morgens zum Frühstück vor der Schule, weil wir ihnen um diese Uhrzeit Youtube verbieten.

„Kein Youtube vor vier“, beharre ich, denn was man selbst gelernt hat, soll man an die nachfolgende Generation weitergeben. Was aber zieht man bloß an im TV? „Nimm, worin du dich wohlfühlst“, empfahl ein fernsehgeübter Freund mir. „Also die Pullover, in denen ich immer rumlaufe?“, fragte ich erleichtert. „Äh, nun ja …“ – jetzt schien er nicht mehr so sicher.

Aber sollte ich wirklich das Jackett aus dem Schrank ziehen? Den Kapuzen-Hoodie? Mache ich mich damit nicht zum peinlichen Berufsjugendlichen? Oder einen meiner Pullover, über die meine 91-jährige Mutter immer schimpft, dass ich darin aussähe, als liefe ich in einem Zirkuszelt herum? Das war überhaupt das größte Problem: meine Mutter. Die taz liest sie nicht, da kann ich schreiben, was ich will. Aber ZDF guckt sie. Und weil ich ihr in einem Anfall von kindlichem Stolz vom bevorstehenden Termin erzählt habe, war ich sicher, dass sie ihn nicht verpassen würde.

Ratlos stand ich vor dem Kleiderschrank und zog Modelle hervor, bei denen ich mich erst wunderte, warum ich sie nie anzog. Bis ich sie anzog, dann wunderte ich mich, wieso ich sie so lange aufgehoben habe. Am Ende nahm ich drei verschiedene Kollektionen mit und beschloss, das möge die Frau von der Maske entscheiden. Die ist schließlich Profi.

Rendez-vous mit der Maske

Die Maske („Guten Tag, ich bin die Maske!“) war sehr entspannt bei der Frage nach dem besten Outfit. „Ach, egal“, sagte sie, „ziehen Sie an, worin Sie sich wohlfühlen.“ – „Im Ernst?“, fragte ich, „sogar den Pullover, den ich gerade anhabe?“ – „Klar, warum nicht?“, sagte die Frau. „Aber meine Mutter guckt zu“, gab ich zu bedenken. Sie erstarrte. „Oh“, sagte sie und wirkte plötzlich besorgt, „dann zeigen Sie mal lieber, was Sie noch dabei haben.“ Ich zeigte es ihr. Jetzt wirkte sie noch besorgter. „Ich weiß nicht, ob im Kostümfundus jemand zu erreichen ist“, murmelte sie. Schließlich fand sie dann doch das Jackett am geeignetsten.

Es war dann sehr nett im „Mima“. Wirklich Angst hatte ich nur vor dem Anruf hinterher. Doch ich konnte aufatmen: „Sehr schön, Junge“, sagte meine Mutter am Telefon, „du hattest ein Jackett an. Gut gemacht!“ Ihr Nachbar rief aus dem Hintergrund in den Hörer: „Ich sag ja immer: Schlag niemand seine Kinder tot, man weiß nie, was draus wird!“ – „Ganz genau. Am Ende werden die Toten gezählt“, erwiderte meine Mutter.

„Du, Mama, ich muss jetzt mal Schluss machen“, sagte ich, ehe ich noch mehr Lebensweisheiten der Generation 90 plus zu hören bekam. „Gut. Aber zieh ruhig öfter ein Jackett an“, gab sie mir noch mit auf den Weg. „Werde ich machen“, sagte ich, „sobald ich mal wieder ins Fernsehen eingeladen werde.“

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Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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