Die Wahrheit: Zum Glück nicht Davos
Das Leben ist leider keine RomCom, sondern manchmal eine von faulig stinkender zäher Masse durchdrungene Horrorkomödie.
A m Donnerstagnachmittag dröhnt das Haus. Langsam durchströmt ein fauliger Geruch die Einraumwohnung im Berliner Hinterhaus. Decke und Wände im Bad vibrieren. Ratlos sehe ich dort nach oben. Oh! Eine zähe Masse umspült das verzweigte Fallrohr und sucht sich in Rinnsalen den Weg nach unten. In für mich selbst überraschender Geschwindigkeit hämmere ich an die Wohnungstür über mir. Die Mieterin öffnet mit einem Lächeln. „Hier wurde eine riesige Rohrverstopfung gelöst“, erklärt sie. Die Klempner seien mit ihren Rüttelmaschinen eben fertig geworden.
„Ja, nee, nix gelöst. Der Schmodder kommt jetzt bei mir raus!“ Hilfe! Anruf bei Hausmeister Fleckenstein (sic!). „Rohre in der Wohnung sind Sondereigentum, muss sich ihr Vermieter drum kümmern“, knurrt er. Beim Vermieter geht nur die Mailbox dran. Immerhin verkleben die Klempner jetzt meine Badrohre mit Klempner-Klebeband. „Dit war vorgeschädigt. Wird nich lange halten. Dit macht unsere Versicherung nich.“ Aha. Stinken tut es immer noch unerträglich.
Jahrelanger Rechtsstreit wird folgen. Am Ende bin ich sicher schuldig. Egal, denn bis zum Urteil bin ich als Szenaristin im Genre des Romantik-Horrorfilms reich geworden. Anfang der Geschichte wie oben, doch ich (alias Renée Zellweger) hänge nicht vorm Fernseher sondern auf der Skipiste in Davos herum. Schnitt. Kameraschwenk durch meine schicke Wohnung, in der ekelhafte Soßenrinnsale stetig schneller werdend auf den Boden wabern.
In Episoden werden die Nachbarn vorgestellt: ein pensionierter Seemann, der daheim Pflanzenforschung betreibt (Udo Lindenberg, angefragt), außerdem eine fitte Oma, die mit den Enkeln Verstecken spielt (Uschi Glas, zugesagt). Jennifer Aniston, in der Hauptrolle als Mieterin über mir, hat gleichzeitig ihren superheißen neuen Freund (Elyas M’Barek) und ihre Mutter (Nina Hagen) zu Besuch. Zwischen den witzigen Dialogen gibt es Einblicke in meine Hipster-Bude, die sich langsam in ein Höllenplanschbad verwandelt.
Jennifer reinigt plappernd Suppenteller; Hausbewohner traben hin und her … Schnitt. Ich (Renée Zellweger) komme super gelaunt und gestylt aus Davos zurück, sehe meine Designer-Möbel mit fiesem Schmodder bedeckt und falle in der noch geöffneten Tür in Ohnmacht.
Just in dem Moment kommt Hausmeister Fleckenstein vorbei (Sebastian „Eberhofer“ Bezzel), denn Nachbarin Uschi Glas hat sich über Gestank beschert. Jennifer Aniston schreitet das Treppenhaus hinab, hilft ihm, mich wiederzubeleben und verliebt sich in Herrn Fleckenstein. Der ist im Hauptberuf Kungfu-Meister. Sie geht einfach mit ihm mit, weil ihr die Situation mit der Mutter und dem heißen Typen voll auf die Nerven geht.
Ach ja, die Hausverwaltung hat angerufen! Am 14. Februar sollen die Handwerker kommen und meine Wohnung endlich wieder in Ordnung bringen. Happy Valentine’s Day! Mein nächster Romantik-Horrorfilm steht vor der Tür.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier