Die Wahrheit: Guinness und Kartoffeln
Nicht nur die Iren sind froh, dass Nadine Dorries nicht Nordirlandministerin geworden ist. Nie sah die Welt eine schlichtere Bestseller-Autorin.
Z um Glück ist sie nicht Nordirlandministerin geworden. Stattdessen hat der britische Premierminister Boris Johnson sie bei seiner Kabinettsumbildung Mitte des Monats zur Kulturministerin ernannt. Nadine Dorries sei für ihr neues Amt qualifiziert, findet Verteidigungsminister Ben Wallace, weil sie Bestsellerautorin sei – anders als so mancher „Spinner, der mit Steuergeldern unterstützt wird“.
Die 64-Jährige hat zweieinhalb Millionen Bücher mit ihren verblüffend trivialen Geschichten verkauft. Sie spielen irgendwann in der Vergangenheit, handeln von Elend, Armut und Missbrauch, aber sie haben stets ein Happy End. Und sie sind zum Fremdschämen bescheuert. Offenbar hat Dorries ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Vater, der irischer Abstammung ist, denn viele ihrer Geschichten sind in Irland angesiedelt und stecken so voller Klischees, dass sie unfreiwillig komisch sind.
Irische Männer tun alles für ein Guinness und eine Kartoffel. „Niemand, der seine Sinne beisammen hat, spricht schlecht über eine Kartoffel“, sagt einer ihrer Protagonisten. Die Männer raufen ständig: „Es ist die irische Art: zuerst Fäuste und Stiefel, dann erst Worte.“ Und sie träumen von smaragdgrünen Feldern und Mädchen mit rabenschwarzem Haar und strahlenden Augen, „wie sie nur bei Menschen mit irischen Wurzeln vorkommen“.
Bei Dorries sind die guten und mutigen Frauen hübsch, während die kaltherzigen und gemeinen Frauen allesamt hässlich sind. Da weiß man wenigstens gleich, woran man ist. Der Krimi-Autor Abir Mukherjee sagte: „Dorries als Schriftstellerin zu bezeichnen, ist dasselbe, als wenn man den Kannibalen Jeffrey Dahmer als Sternekoch bezeichnete.“
Dorries stammt aus Liverpool, der heimlichen irischen Hauptstadt. Seit 2005 ist sie Unterhausabgeordnete. Sie versuchte vergeblich, das Recht auf Abtreibung einzuschränken und durchzusetzen, dass im Sexualkundeunterricht Enthaltsamkeit für Mädchen propagiert werde. 2012 nahm sie an der albernen Fernsehshow „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ teil, hatte aber weder ihren Fraktionschef darüber informiert, dass sie die Parlamentssitzungen schwänzen würde, noch das Honorar angegeben. So wurde sie vorübergehend aus der Fraktion geworfen und obendrein als erste aus der Show hinausgewählt.
Bei ihren Finanzen ist sie allemal kreativer als beim Schreiben. Sie war mehrmals in Spesenskandale verwickelt und entschuldigte sich damit, dass sie ein paar Rechnungen „aus Versehen“ eingereicht habe. Damit das Geld in der Familie bleibt, stellte sie ihre Tochter auf Staatskosten als Sekretärin ein, obwohl die 150 Kilometer vom Büro entfernt wohnt.
Dorries war für den Brexit und freut sich darüber, dass seit vorletzter Woche das CE-Prüfzeichen der EU auf Biergläsern endlich durch die Krone ersetzt werden darf. Welch ein Triumph für die nationale Souveränität, auch wenn das englische Bier dadurch nicht besser wird.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!