Die Wahrheit: Bis in die Wohnung verfolgt
Neues von der Sprachkritik: Auf die Reihenfolge es kommt an. Dabei darf man „scho au“ (Bundestrainer Jogi Löw) pingelig sein.
Lustig ist das Zeitungslesen. „Reife Mangos erkennen Käufer an ihrem Duft“, titelt die Lausitzer Rundschau, „Vortrag über Demenz des Caritasverbandes“ schlagzeilen die Dürener Nachrichten und „Gesuchter ließ sein Radl alkoholisiert am Inndamm stehen!“, wundert sich das Nachrichtenportal rosenheim24.de. „Feuerwehrleute retten sich mit Sprung vor Zug“, staunen die Jülicher Nachrichten, und hat man das schon mal gesehen: „Seniorin vom Geldautomaten bis in die Wohnung verfolgt“! Das meldet die Westfälische Rundschau.
Das Geheimnis des Erfolges ist die Missachtung der richtigen Reihenfolge von Wörtern und Satzgliedern. Meistens ist das nicht so albern: „Die Durchsuchungen fanden im Rahmen des Aktionstages gegen Hasspostings des Bundeskriminalamtes statt“ (saarbruecker-zeitung.de).
Dass man einen Satz zu Unrecht richtig verstanden hat, merkt man oft erst auf den zweiten Blick; etwa wenn das Göttinger Tageblatt behauptet: „John Cleese und seine damalige Frau Connie Booth schrieben die Kultserie, Fawlty Towers' zusammen“ – womit die Zeitung suggeriert, die beiden hätten das Zeug doch eigentlich zusammengeschustert. Die Wahrheit ist: Sie schrieben zusammen die Kultserie „Fawlty Towers“.
Man weiß zwar, was gemeint ist; aber hilfreich ist es, man drückt es auch aus. Die Grammatiker lehren, dass die Reihenfolge der Satzglieder im deutschen Satz (bis auf das finite Verb) frei ist; die Bedeutung eines Satzes ist es jedoch nicht. So drängt die Meldung „Der Film- und Theaterregisseur ist kürzlich erst aus dem Hausarrest entlassen worden“ (taz) semantisch in die falsche Richtung, weil sie den leisen Verdacht erzeugt, der Mann sei dann wieder verhaftet worden. Um dieses Missverständnis auszuschließen, müsste es statt „kürzlich erst“ umgekehrt „erst kürzlich“ heißen. Das, liebe Deutschlernende, entfernt den möglichen Akzent vom „erst“ (ergänze: Hausarrest), der ein „dann“ (ergänze: das nächste Unglück) erwarten lässt.
Auch Opfer
Man darf „scho au“ (Löw) pingelig sein. Über ihn behauptet die taz: „Joachim Löw beklagt seit Langem struktuelle Mängel in der Nachwuchsarbeit. Jetzt ist er auch Opfer dieser Misere“ – und nicht nur ihr Verursacher! Andernfalls hätte sie „Jetzt ist auch er Opfer“ geschrieben.
Zum Opfer eines falschen Satzbaus werden die Leser wieder und wieder durch ein Wörtchen, das die Globalisierung buchstäblich auf den Punkt bringt. Die taz frohlockt: „Im Mai hat das Londoner Unterhaus als erstes Parlament weltweit einen Umwelt- und Klimanotstand ausgerufen.“ Sehr gut; nur bleibt unklar, was genau das Unterhaus getan hat: Hat es sinnvollerweise einen weltweiten Notstand ausgerufen oder bloß als weltweit erstes Parlament einen nationalen Notstand? Das kommt davon, wenn man einen deutschen Satz mit englischer Grammatik infiziert.
Die spielt auch in diesen Satz in einem Buch übers sogenannte Groundhopping (das Sammeln von Stadionbesuchen) hinein: „Rund 14.000 Fußballvereine weltweit und rund 35.000 Grounds sind in der App gelistet.“ Begönne der Satz richtig mit „Weltweit sind rund“ usw., bezöge sich „weltweit“ auf beides – so nur auf die Vereine.
Der kluge Blick
In vielen Fällen ist die Reihenfolge aber egal und lediglich eine Stilfrage. „Der Markus Söder überrascht uns halt immer wieder alle“, sagt ein CSUler der taz. Entgegen der alten Regel darf auch das finite Verb von seinem angestammten Platz rücken: „Beim Lesen fällt auf, was heute fehlt. Vor allem der kluge Blick auf das, was da ist nämlich.“ (taz)
Trotzdem verständlich nämlich ist es. Sind übrigens auch Kurzsätze. Besonders wenn sie Teile eines längeren sind. Der mitten entzweigehackt wurde: „Gerade laufe ich durch die sonnigen Straßen von San Francisco. Auf meinem nachmittäglichen Spaziergang zum Vesuvio in der Columbus Ave. Als ich an der Ecke Post und Mason plötzlich sie sehe: Yee, das ist diese Greta!“
Yee, so ist diese taz! Zugegeben, es handelt sich um die getreue Übersetzung einer Erzählung aus dem US-amerikanischen Englisch, deren Sätze wie Schlagzeilen hämmern: „Fast habe ich vergessen, wo ich herkomme. Aus einem kalifornischen Wüstennest im Nichts. Heimat der Coyoten. Tecopa. Bei den Shoshone.“ Aber die taz. Kann es. Selbst: „Bei welchen Anlässen stecken sich die meisten Leute an? Auf dem platten Land wie in der großen Stadt. Ein Stimmungsbild“. Oder.
Kürze, Würze
„Der Druckwasserreaktor Olkiluoto hat sich zu einem finnischen BER entwickelt: 12 Jahre zu spät, dreimal so teuer wie geplant. Am Netz ist er längst noch nicht. Ebenso das AKW-Neubauprojekt Hanhikivi. Schon vor Baubeginn um Jahre hinterher.“ Alles klar? Kürze, Würze!
Zum Schluss: das Ende. Noch ein paar Zitate. Aus der Verkehrten Welt. Aber. Im Ganzen. Satz: „Die Türkei hat das Auswärtige Amt als Risikogebiet eingestuft.“ (Bonner General-Anzeiger) „Polizei geht Straftäter ins Netz“ (Südkurier). „Basketballerinnen der Eisvögel ließen Kinder in einen Korb werfen“ (Badische Zeitung). „Bürger ärgern hohe Bepflanzungen“ (Westdeutsche Allgemeine). Aber nicht: Leser ärgern Sprachglossen!
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