piwik no script img

Die WahrheitLive aus der Minikonzertarena

Mein Vater war nie der größte Fan meiner Musik. Wenn Metal aus den Lautsprechern hämmerte, stand er gern in der Tür und hielt mich für verrückt.

B evor ich die heilige Scheiße aus meiner ersten Nippon-Stratocaster herausprügeln konnte, war ich bereits ein ganz passabler Gitarrenheld. Auf dem Tennisschläger. Van-Halen-Tapping-Arabesken, gefühlvolles Schenker-Melodiespiel, klassizistische Malmsteen-Skalen, das ging mir alles locker von der Hand und der große Ankleidespiegel war eine Art Durchgangstor zum ausverkauften Hammersmith Odeon.

So schlang ich also nach der sechsten Stunde meinen Linseneintopf herunter, zog mich in meine Zwölfquadratmeterkonzertarena zurück, nahm die Kelle zur Hand und ließ meine Gesichtszüge entgleiten. Nach einer Weile riss mein Vater die Tür auf. Weil die Boxen ballerten, hatte ich sein Gebrüll aus dem unteren Flur nicht gehört, also war er wütend und mit pochender Halsader die Treppe hinaufgestratzt, aber dann sah er mich, und sein Blick wurde auf einmal ganz sanft: „Telefon … und mach leiser, das hält ja kein Mensch aus!“

Am nächsten Tag nahm mich meine Mutter zur Seite. „Es ist mittlerweile überhaupt keine Schande mehr, wenn man zum Nervenarzt geht“, sagte sie. „Nur mal zum Durchchecken.“

Es beruhigte die beiden einigermaßen, als wir den Partykeller meines Onkels mit Instrumenten und Verstärkern vollstellten und das Grimassieren plötzlich so etwas wie Sinn bekam. Mein Vater wurde nicht unbedingt ein Fan, aber als er eines Tages auf seinen kleinen Enkel aufpassen musste, machte er mit ihm einen Abstecher in unseren Übungsraum. Der Kleine fing sofort an zu weinen. Und mein Vater schüttelte den Kopf. „Kinder und Besoffene sagen die Wahrheit.“

Ein paar Monate später hatten wir einen Auftritt bei irgendeinem Jubiläum unseres Heimatdorfs. Meine Eltern stellten sich angemessene hundert Meter entfernt vor der Bühne auf und blieben volle drei Songs. Ein Liebesbeweis. Am nächsten Morgen sah mich mein Vater verkatert am Frühstückstisch sitzen. „Wie wisst ihr eigentlich bei dem ganzen Durcheinander, wann ein Lied vorbei ist?“, fragte er, ging nach unten in seine Werkstube und schnüffelte Kleber. Er war Schuhmacher.

Ich sagte nichts, weil ich halbwegs glimpflich davongekommen war. Ein paar Songs später kam das Konzert nämlich zu einem unrühmlichen Ende. Zwei von uns waren im Überschwang von der Bühne gekippt. Die Hälse ihrer Gitarren steckten bis zum Korpus im Sandboden. Ihre blieben sauber. Es war episch. Und sprach sich bald rum im Dorf. „Wir haben wohl doch was verpasst“, sagte mein Vater ein paar Tage später mit fast respektvollem Gesicht.

Als die Band schon lange Geschichte war, zog er mich immer noch gern auf mit unserer „Musik“. Er musste keine Häkchen in die Luft schnicken, er setzte Anführungszeichen durch Betonung. Als er gestorben war, suchte ich in seinen Papieren nach der Mappe, in der er heimlich alle Zeitungsausschnitte und Konzert-Flyer gesammelt hatte. Es gab keine. Er fand uns wirklich scheiße. Er fehlt mir.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Frank Schäfer
Lebt als Schriftsteller in Braunschweig. Neben Romanen und Erzählungen erschienen diverse Sachbücher und Essaybände zur Literatur- und Kulturgeschichte. Zuletzt: Henry David Thoreau – Waldgänger und Rebell. Eine Biographie (Suhrkamp); Hühnergötter. Roman (Limbus); Notes on a Dirty Old Man (Zweitausendeins).
Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • Ja jaja, die wilden 70er und 80er nachwirkend, als unsere Eltern trotz schlimmster Ära noch ihrer eigenen Jugend erinnernd fähig waren. Und Beatles die neue alte Musik langmähnig aus dem ach-so altbackenen Engelland entgleiten ließen. Aus welchem Keller dröhnte aus eigenhändig stolz zusammen gebauten Boxen keine Musik? Durch welche Straße dröhnte kein japanisches Motorrad? Multikulti kam erst später. Man war frigide aufsässig verklemmt und schielte ausgerechnet aufs US-amerikanische mit seinem provinziellen Konservatismus.

  • Dear Frank & die Luftgitarre am Tennisschläger. Chapeau*



    Der Gitarrensturz von Wedemark - unvergessen.**



    Na. Wie der Olle too. Echt fitte 🧢. Congratulation.

    unterm——* btw - fürs raaaanste Aaa -



    🎾 🏸 - mal - aber mit Saiten!!! kölsche Anarcho-Szene frequentierten.



    Da könnt ihr euern Metalic-Kram aber einpacken.



    Rockte unlängst Trümmergrundstück PM - Gutenbergstraße + STRIPP - 🤯 drugs&Roll -



    Wobei er sich das Hörgerät (für schlappe 3 Riesen) auf Nimmerwiedersehn.



    Rausriß. (Däh.Der nette “Wie? Was? Da liegts doch!“ zwischen Stiefel&Meldestrunk! 🥺 -



    ** “Mensch in der Stammstroß! 'Sind die jut? Oder holnmerse runter?!'



    Solche Kanten & Wir mit 14/15 & schlotternden Knien!“ Normal.



    Kollege - der einst mit Tiefgang Wolldecken um die Häuser zog in Räuberfeld. - 🥳 -



    & als Schlagobers - Der Buchstabe G - Tucho - 🤫 -



    www.textlog.de/tuc...y-buchstabe-g.html



    Wo einst doch “Schulze am Damme“ - Erste Adresse am Platze war! - 🎩 -

    • @Lowandorder:

      Prima Beitrag,

      was ick noch sagen wollte:

      Jetzt hab ick mir gefragt, was Tucho hier soll.

      Allet klar!

      »Woso kann er denn diß nich leihn? Un wat jeht mir denn det an –?« –

      Man, ich beneide die Foristen, die am 02.11.1930 die Vossische Zeitung gelesen haben. Netti wird andächtig geschwiegen haben.

      Ich habe extra nochmal nachgeschaut ob die Penthousetür auch wirklich zu ist.



      Jetzt stehe ich, wegen der Atmung und lese laut, richtig laut!

      - Der Buchstabe G-

      Die Träne rinnt, da ich natürlich auch die handelnden Personen spreche.

      Erotisch erneut



      (da mußte erst mal druff kommen)



      Claire Waldoff: Mein Paulchen ist weg!



      www.youtube.com/watch?v=4Uw--VV9BYU

      • @Ringelnatz1:

        Mit 1930 - kann icke ja denn doch nicht dienen - wa.

        Aber so 1955 muß dit jewesen sein - in



        Roda Roda (Hrsg) - Humor um uns -



        Franck'sche klar - wie jrad aufm Thron



        Das einsame Blockhaus Wäscha-kwonnesin - Grau-Eule - ooch - kerr!



        Erst den Lachs - dann das Buch - 😎 -

        • @Lowandorder:

          1955.



          Das Jahr der Schöpfung.



          Also nich direkt....

          Behalt es für dich ;-)

          Sonny Boy Williamson - Keep it to Yourself



          www.youtube.com/watch?v=GtRxJDb3vlw

          Noch gar nicht gefragt, werter Herr Generalrichter;-);-)

          Mundharmonika?!

          Blues Harmonica Jagger



          www.youtube.com/watch?v=DGjkxyD_Atw

          • @Ringelnatz1:

            Aber immer.

            Robert der Kauffmann - “Freihändig Urinieren“ - kriegte just in show - mich mal aus der Hand dran - “…& jetzt Solo!“



            Und ich saß im Publikum & hatte die Harp Diatonische A/E by Lee Oskar gut verstaut in der Hosentasche.



            (Die Toots Tidemanns chromatisch seltener - zu faul!;)

            unterm—- nix gegen Mick -



            Harvest - spärlich - liggers - but -



            m.youtube.com/watch?v=n2MtEsrcTTs



            Der Jahreszeit entsprechend - 🤫 -



            & Krefeld City Desperado -



            www.youtube.com/wa...JifNkLw1ETwiiShG1_



            (Mist - wiedern gig mit Robert coronaisiert!;((

            • @Lowandorder:

              & nochens - der noch mit Schwung



              Für Dunkeldeutschlands Jung - 🤫 -

              Wußte schon sehr genau hienieden mit guten Gründen - warum mein clever Dienstherr & icke stehts - zu befördern mich - vermieden.



              Als nämlich - gut vor ehra Zeit die Russen post Torgau statt der Amis kamen. Tatens u.a. inne Telefonbücher kramen & taten - wer nich im Westen war bei viere - ab Major - einkassiere 😱



              &



              Mitgangen Mitgehangen - Einerlei - 🤫 -



              & Däh



              General klar - Aber auch - du dickes 🥚 -



              Oberst - Oberkellner - & sowjet eins zwei drei - aach Oberlokomotivfühererwitwe!



              Alles mit dabei - 🥳 -

              kurz - Danke. Richter - reicht •

              • @Lowandorder:

                Na, det ging ja gerade noch gut.



                Ich dachte ich bin durch.- Nada-

                Jetzt bin ich am knispeln, was ick mit der Oberlokomotivführerwitwe anfangen kann.

                • @Ringelnatz1:

                  Is leider grad in Quarantäne die Schwyz

                  Aber dorten jeden x-beliebigen Friedhof aufsuchen - sojet & noch tollere Knallschoten - die Grabsteine rauf & runter! Normal. Alles fein geraten.

                  (Ps nix ala - “Bis gleich“ auf Melaten.



                  Oder die Beine schlotternd von Heine😂

                  • @Lowandorder:

                    Meldet sich doch glatt der IPR-Prof - dem ich die Schoten verdanke - aus seiner Mbg-Gruft. Gelle: Er vermisse auf der Stelle - die Vizeoberrevierförsterwitwe!



                    Dem lamento dero - hiermit abgeholfen.



                    “Gesehen in …Kracks Knaaks - “ der ahl



                    Petrus-Trojaner wahrt die Privatsphäre



                    Nobel.

                    • @Lowandorder:

                      Ich, Zone,

                      häh, IPR-Prof. noch mehr häh, Mbg- Gruft

                      Einigkeit und Rehecht und Verstaahand

                      ;-)

                      • @Ringelnatz1:

                        Internationales Privatrecht - KollisionsR

                        de.wikipedia.org/w...onales_Privatrecht



                        “ Internationales Privatrecht (Abkürzung IPR; auch Kollisionsrecht) nennt man in der Rechtswissenschaft die Gesamtheit der Rechtssätze des nationalen Rechts, die festlegen, welche von mehreren möglichen nationalstaatlichen Privatrechtsordnungen in einem Kollisionsfall angewandt wird. Ein Kollisionsfall liegt vor, wenn ein Sachverhalt eine Auslandsberührung aufweist. In diesen Kollisionsfällen beantwortet das internationale Recht die Frage, ob inländisches oder ausländisches Recht anwendbar ist oder gegebenenfalls welches ausländische Recht innerhalb mehrerer kollidierender ausländischer Rechte anwendbar ist.“

                        unterm—-



                        Das war ein ausgemachtes Arschloch - immer eine Hsnd in der Hose & darüber am meisten geiern.



                        Ließ uns via Seminar eine steinalte Fällesammlung BGB 19. Jahrhundert.



                        Beackern & brachte dann mit Aplom die Neuauflage raus 💩



                        (Schön - icke - Geklaute Kuhherde zu Dosen verarbeitet - Wer hat‘s Eigentum?



                        (kl Tipp § 950 BGB - Verarbeitung



                        www.jura.uni-wuerz...__946_ff._BGB_.pdf



                        (Sorry - muß los - alter Mann - massage;)

                        • @Lowandorder:

                          Merci beaucoup pour le service!

                          Nichts macht mehr Spaß im Penthouse zu sitzen und im BGB zu ackern.



                          Auf die geklaute Kuhherde in Dosen Bezug nehmend , einen schnellen Blick riskierend, mußt ich lachen...

                          § 93 BGB; entscheidend ist, ob die (ehemaligen) Einzelsachen bei einer Trennung zerstört, oder in ihrem Wesen verändert würden...

                          Ich fand- ehemalig und Wesen verändert- stimmungsaufhellend!

                          • @Ringelnatz1:

                            Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - wirft ein

                            “ RINGELNATZU1: "geklaute Kuhherde" In Dosen? Das geht aber als "erweiterter Mundraub" nicht mehr durch.“

                            kurz - Wohl wahr.



                            & Däh - Canned Heat - Woodstock -



                            m.youtube.com/watch?v=tRYKAMjKgto

                        • @Lowandorder:

                          post-ps Zum Dank gab er - & nicht nur mir - ooch noch schlechte Zensuren. In nem Seminar! Der einzige Seminar-Schein den ich - obwohl IPR schwer putzt/machte damals sonst keiner - den ich zum Examen nicht eingereicht habe!



                          “Befriedigend“ Geht’s noch?



                          Peter Häberle - dann auch einer meiner Prüfer hätte das unnachahmlich low mit



                          “Desch ischd under Ihrem Niveauuu!“



                          Zusammengefaßt - 😂 - Gellewelle.

          • @Ringelnatz1:

            Tut1:



            Ick find det jut.



            Helge Schneider trifft Sarah Willis



            www.youtube.com/watch?v=Vlkcgzc-yqI

            • @Ringelnatz1:

              Helge Schneider ist für mich eine Bestätigung,



              Sarah Willis ist für mich eine Entdeckung!



              Merci beaucoup.

              • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

                Bei dem hornigen Instrument - darf -



                Harald “Sack“ Ziegler - naturellement -



                Nicht fehlen (Ringelnatz1 aufgemerkt:



                Er hat’s auch gern mit dem Airhorn!;))



                www.haraldsackziegler.de/



                &



                m.youtube.com/watch?v=rYA9Y3HWl-Q



                &



                m.youtube.com/watch?v=dyBvW1xRLM0

                (unterm—— eiteleinblendung —



                Daß in - To Luca Lanzin Two - der Schlagwerker auch uns anderen vier auf die Sprünge hilft sei echt nur beiläufig so erwähnt - 😎 - ;)

                • @Lowandorder:

                  Man,

                  als totaler Laietist sach ick mal, der Mann is jut, richtich jut!

                  Det is sonne, wie soll ick sagen tolle(musikalische) Eigenschaft, die an mir wie ein Komet vorbeigezischt ist.

                  • @Ringelnatz1:

                    Ok Ok - dem Manne kann geholfen werden. Newahr.



                    Normal.



                    ms.stubnitz.com/content/jaruzelski-0



                    “ 2011-06-23 20:00



                    "...die wollen nur spielen..." Es gibt keine Band in Köln (und auch jenseits von Köln), die so lange an ihrem Debüt - Album arbeitet wie Jaruzelski. Seit zwanzig Jahren gibt es sie schon, ackert man sich durch sämtliche musikalische Felder von Punk, Rock, Kraut über Psychedelic und Free Jazz bis zur Freien Improvisation. Ihre Musik ist zwar so abgehangen, wie Schwarzwälder Schinken schmeckt - aber sie klingt jedes Mal wieder völlig neu.…“

                    unterm—- nicht ganz uneitel - 😎 -



                    Nur en passant sei nicht unerwähnt - daß auch meine Wenigkeit das Vergnügen die Ehre hatte in dieser Ansammlung von musikalischen Extra-Bekloppten meine Hörner tönen lassen durfte. - 🤣 - & Jaruzelski - ohne!! 👓



                    Ps - Es gibt einen wunderschönen Radio-Interview-Mitschnitt - seine Tochter war gerade nude Covergirl Paris Match - “…es gebe da eine Jazz!!Band in Köln - die seinen Namen führe!“



                    “Na ein Glück - nicht nackt im Match!“



                    Ooch wieder wahr - wa.



                    Devise Le poids des mots, le choc des photos - 🥳 -

                    • @Lowandorder:

                      Könnte hinkommen:

                      www.falschnehmung....tfotos/jaruzelski/

                      jaruzelski



                      www.youtube.com/watch?v=-jBWkY-IPUo

                      Hier bin ich mir nich so sicher, klingt bisken verworren aber ich bilde mir ein den Doppelbass ab 1.18 zu hören..

                      • @Ringelnatz1:

                        Ah - nochens - zu letzterem - koa Ahnung nich - hab beim Papst des kölner Underground (Felix Klopetek;) nachgefragt - Antwort steht noch aus!🤫

                      • @Ringelnatz1:

                        Gwücklunsch - Treffer - ja der Bernd! *

                        Hö Hö - was & wo man so all rumfliegt!

                        Die Aufnahme kannt ich gar nicht.



                        Aber mit Achim - Bass & ollet Conn bari!



                        Aus! der Bahn wieder aus!steigen.



                        Booey. Das ist echt‘n Erlebnis. Normal.

                        unterm—-*



                        …einfach‘n bisken rumsurfen - dann is frauman inder Szene drin.