Die Wahrheit: Mittagspause mit Weltuntergang
Drei Männer unterhalten sich. Über Rechtsextremismus und andere Katastrophen. Doch wie geht man mit der Apokalypse um?
D enken wir uns drei weiße Männer zwischen vierzig und sechzig aus und in Mitteleuropa. Neulich saßen sie zusammen zur Mittags- und Zigarettenpause in einer Kontor-Gemeinschaft am südlichen Rand der norddeutschen Tiefebene.
Diese Konstellation liest sich zunächst vielleicht nicht so prickelnd, doch unversehens drehte sich die Plauderei um nichts Geringeres als um die medial bedingten apokalyptischen Visionen, die momentan so billig zu haben sind wie das Hamlet-Zitat: „Die Zeit ist aus den Fugen.“
Holger A. hatte einen Spickzettel parat, und bevor er die ersten Signalwörter vortrug, sagte er: „Es ist ja nicht zu bezweifeln, dass wir uns angesichts der Vielzahl aktueller Katastrophen und Verbrechen in Dimensionen wie im Alten Testament befinden.“
Ergin B. stimmte zu: „Ja klar, die Heuschreckenplagen in Ostafrika und Westasien würden ja schon dafür ausreichen. Aber nun breitet sich der Virus aus, rassistische Terroranschläge nehmen zu, Überwachung, die Klimanachrichten von Arktis bis Antarktis, Syrien und …“
Da unterbrach ihn kurzerhand Moritz C.: „Ihr habt noch die schleichenden Heimsuchungen vergessen, wie das Comeback von Friedrich Merz. Und wie andererseits viele Vogelarten auf dem Land und Insekten überall verschwinden.“
„Und was außerdem zurückkommt“, sagte A., „sind autokratische Regierungen in vielen Teilen Europas und extrem perfide Parteien wie die AfD. Zombiedemokratien, wie einer meiner Söhne es nennt.“
Stumm blickten die drei Männer jetzt durch die Fensterfront des Konferenzzimmers in die Weite, von einem Gewerbegebiet über eine Bahnstrecke, auf der gerade ein ICE aus Richtung Kassel querte, bis zum etwa fünf Kilometer entfernten Fernmeldeturm, so hoch wie der Eiffelturm.
Nach einer Weile gab C. zu bedenken: „Wir haben versäumt, den Kunststoffmüll in den Tiefen der Meere zu erwähnen, die Mikroplastikberge im Allgemeinen, Feinstaub und Elektrosmog.“ B. sagte beinahe nachdenklich: „Und mit all den Ereignissen verwoben weht hier seit Wochen ein heftiger, pfeifender, heulender oder zerrend stürmischer Wind. Wer Wind weht, wird Sturm ernten.“
Nach einer weiteren Minute des Schweigens standen die drei Männer auf, um zu den überhäuften Schreibtischen zu gehen, da ergriff A. unvermittelt das Wort: „Ja, auch die Wetterverhältnisse spielen bei der manchmal gespenstischen, alarmistischen Atmosphäre mit. Lasst uns Ror Wolf gedenken, der vor ein paar Tagen verstarb. Ein Meister, dessen bekanntestes Gedicht ich mir erlaube, ihm zu Ehren zu variieren.“
Die zwei Büronachbarn schauten sich verdutzt an. A. deklamierte: „‚Es stürmt, dann fällt der regen nieder, / dann stürmt es, regnet es und schneit, / dann regnet es die ganze zeit, / es regnet und dann stürmt es wieder.‘“
Was aber war das Fazit dieser Mittagspause? Apokalypse? Armageddon? Es hatte bestimmt etwas zu bedeuten. Aber was?
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