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Die WahrheitSeltsame Nächte

Susanne Fischer
Kolumne
von Susanne Fischer

Ein Arthotel ohne Kunst, ein Rauchmelder ohne Rücksicht und Unterwäsche, die von Rezeptionisten beäugt wird – ein Abenteuer in Darmstadt.

W er sich bei einer Veranstaltung auf die Bühne wagt, die „Seltsame Tage“ heißt, ist selbst Schuld. Das bin ich sowieso – an allem, außer am Klimawandel, das war Trump. Aber ich war zur rechten Zeit in Thüringen, danach im CDU-Vorstand, und alle Orkane hören ohnehin auf mein Kommando.

Also: Seltsame Tage, ein Podiumsgespräch mit Kollegen in Darmstadt, einem Ort, über den ich keine Namenswitze machen werde. Trotz meiner wiederholten Besuche lauern dort immer noch Hotels, die ich nicht kenne. Diesmal war es ein Arthotel. Da erwarte ich etwas Spektakuläres und bin demnach selbst Schuld.

Dieses Arthotel hieß bis vor zwei Wochen noch Hotel Prinz Heinrich, war also praktisch sein eigener Namenswitz und außerdem angetreten, alle Hoffnungen zu enttäuschen. Wie Prinz Heinrich wird es auch die nächsten 200 Jahre aussehen, falls der Klimawandel oder Thüringen Deutschland kein Ende machen. Hässliche Lampen konkurrierten mit verschreibungspflichtigen Teppichböden in langen, albtraumerzeugenden Gängen. Als ich auf der Wanderung zu unseren Zimmern ein Bild entdeckte, und „Guckt mal, endlich Art!“ brüllte, sagte der Kollege, „das da“ sei auf keinen Fall Kunst, auch wenn es an der Wand hänge.

Der andere Kollege entzückte mich, indem er meinte, niemand habe bemerkt, dass ich auf der Bühne weniger geredet hätte als die anderen. Nach längerem Grübeln kam ich darauf, dass ich weniger gefragt wurde. Da kann das schon mal passieren. Oder Trump war Schuld.

Hätte ich ohne Begleitung ins Arthotel gemusst, hätte ich mich vermutlich unter Zuhilfenahme hässlicher Holzverschalungen gleich entleibt. Unter dem Schutz der Kollegen erreichte ich immerhin mein Zimmer, in dem später der defekte Feuermelder versuchte, mich zu Tode zu erschrecken. Als er um viertel nach eins aufjaulte, wusste ich mich nicht zu wehren. Es gab nicht einmal ein Telefon, mit dem ich die Rezeption verständigen konnte.

Musste ich auch nicht, weil das der Feuermelder schon selbsttätig erledigt hatte. Der atemlose Rezeptionist stieg hochprofessionell auf den einzigen Stuhl im Raum und zerlegte den Rauchmelder. Anschließend baute er ihn wieder zusammen, wobei er versuchte, nicht auf meine Unterwäsche zu gucken. Außerdem verdächtigte er mich, geraucht zu haben, obwohl ich nur geschlafen hatte. Als der Rauchmelder um zwei Uhr wieder losging, demontierte ich ihn selbst, drückte ihn dem Rezeptionisten in die Hand und rief: „Nehmen Sie das mit, es ist böse!“

Um fünf kam dann die Straßenkehrmaschine, wobei der Kollege später meinte, es sei eher ein sehr lautes Transportflugzeug gewesen. Bis um halb sieben ramenterten noch mehrere davon quer durch mein Zimmer; vielleicht waren es fliegende Straßenkehrmaschinen.

Außerdem hatte ich irgendwo auf dem Weg zum kunstlosen Arthotel auch noch meine Mütze verloren. Das war aber nicht so schlimm, weil ich damit aussah wie meine Mutter.

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Susanne Fischer
Autorin
Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)
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1 Kommentar

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  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Wenn ich den Schreiber*in nicht kennen würde, alleine dieser Satz sagt: Frau.



    .. „Nehmen Sie das mit, es ist böse!“...



    Kein Kerl würde das sagen!



    Begriffe wie entleibt tauchen in letzter Zeit öfter auf. Muß dem aktuellen Zeitgeist geschuldet sein.



    Ansonsten vielleicht öfter mal aus dem Hotelfenster schauen.

    Hinterm Hotel

    Hinter dem schwarzen Hotelbau lag

    Ein Gärtchen, düster bei Nacht wie bei Tag.

    Blumenlos waren die Beete,

    Weil keine Sonne sie je beschien,

    Und grün, aber auch schmutzig grün,

    Waren nur die Stakete.

    Ein Hausdiener mit Knochenfraß

    Und ein Küchenmädchen aus dem Elsaß

    Haben dort die Natur besiegt

    Und ein Kind gekriegt.

    Hinter der Laube, in blattlosen Zweigen

    Lebt dort ein gutes Gespenst.

    Ich will es dir zeigen,

    Ohne daß du's erkennst.

    (J.R.)