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Die WahrheitMummenschanz der Panscher

Das Ehrenamt gilt als ehrbare Tätigkeit selbstloser und uneigennütziger Menschen. Vollkommen zu Unrecht! Nichts davon ist wahr!

Illustration: Leo Riegel

Das Ehrenamt – überall wird jetzt wieder dafür Werbung gemacht. „Schnell noch ein Ehrenamt annehmen!“ – „Na, heute schon wen geehrt?“ – „Ehrenamt kann allerhand!“ – „Ehrenamt statt Ehrenmord!“ Mit solchen und ähnlich fadenscheinigen Marketingsprüchen versuchen Bundesregierung und Verbände derzeit, noch mehr Menschen zu kostenlosen Hilfsdienstleistungen zu überreden. Laut Allensbach gab es in Deutschland allein 2018 etwa 15,98 Millionen hauptberuflich Ehrenamtliche, Tendenz steigend – und täglich werden sie ehrenvoller.

Ehrenamt, das hört sich erst mal famos an. Vor unserem geistigen Auge sehen wir mutige Ehrenmänner Elbhochwasser wegschippern, sehen wir tapfere Sozialarbeiter in Suppenküchen den dritten Aufguss der Nudelsuppe zusammenpanschen, sehen Jugendliche den Senioren im Altersheim die romantischsten Stellen aus „Mein Kampf“ vorlesen. Die Aureole einer besseren Menschheit umglüht jene, die ihre ohnehin knapp bemessene Freizeit dem Gemeinwohl widmen, weder Lohnesgaben noch Dankeswort heischend, allein aus Freude an der guten Tat. Viele Prominente engagieren sich ehrenamtlich: So lässt sich Familie Maschmeyer gelegentlich mit Flüchtlingen fotografieren, ohne dafür Honorar zu verlangen, und auch viele Bundespolitiker beraten ehrenamtlich notleidende DAX-Konzerne, ohne dafür mehr zu erwarten als eine Garantiestelle nach Dienstschluss.

Wirtschaftswissenschaftler vermuten, dass ohne das Ehrenamt Deutschland sofort zusammenbrechen würde – so lange schon, so fest auch ist die Idee unbezahlter Arbeit mit der Geschichte dieses Gemeinwesens verwoben. Im Mittelalter verlangten die Feudalherren vom gemeinen Volk gratis Hand- und Spanndienste, auch das Recht der ersten Nacht war Ehrensache; im Zweiten Weltkrieg hingegen setzten die Nazis in zahlreichen Betrieben Zwangsehrenamtliche ein, um die wichtigsten Branchen weiter versorgen zu können. Dass viele dieser Ehrenämtler bis heute nicht von der Bundesregierung anerkannt werden, ist sicher nur ihrer übergroßen Bescheidenheit geschuldet!

Triebe unterm Deckmantel

Doch sind Ehrenämtler wirklich die überirdisch pulsierenden Leuchtstoffröhren, als die sie unter anderem im reißerischen Vorspann dieses Artikels gezeichnet wurden? Die Realität sieht leider oft anders aus als die Wirklichkeit! Hinter vorgehaltener Hand warnen Kenner der Materie (Chemiker) vor einem spezifischen Typus Mensch, der unterm Deckmantel des Ehrenamts ungebremst seine autoritären Triebe befriedigt: verschwitzte Griesgrame in ausgewaschenen Karohemden, die für Pegida nicht charismatisch genug waren und jetzt ihren kleingeistigen Manipulations- und Mitmischdrang vermittelt über Gemeinwohlinitiativen im Ehrenamt ausleben – wo sie nach Belieben drängeln und schikanieren können und dabei nicht nur keinerlei gesellschaftliche Ächtung erfahren, sondern ihr unheilvolles Treiben sogar noch als selbstlose Hingabe an die Gemeinschaft verhökern können.

Als fast genauso schlimm gilt der Typus der unausgelasteten Besserverdiener, die ihre Nachmittage nicht nur dem Tageslichtalkoholismus widmen, von der sozialen Ungleichheit nicht nur auf dem Bankkonto profitieren, sondern sich förmlich darin wälzen wollen – denn nie empfindet man den eigenen Wohlstand stärker, als wenn man zwei Stunden die Woche ein paar Wohnungslosen beim Kampf um die letzte Packung Hüttenkäse zuschauen kann.

Vielen wird in diesem Zusammenhang der Fall der Essener „Tafeln“ noch gut vertraut sein, doch auch anderswo im Tafel-Universum werden Bittsteller munter nach Hautfarbe sortiert, wird in genuin herrenmenschlicher Attitüde entschieden, wer heute mit essbarem Müll nach Hause gehen darf und wer nicht. Kaum hat jemand Ansprüche, kaum wagt eine alleinerziehende Mutter, nach Birnen statt nach Äpfeln zu verlangen – schon darf sich die undankbare Nuss hinten anstellen – und dem Ehrenamt noch Lob und Preis singen! Gott spielen, das Elend verwalten, nach purer Willkür Menschen hungern lassen, den Sozialkassen und riesigen Lebensmittelkonzernen beim Geld sparen helfen – und sich bei alledem noch recht pudelwohl, ja als grundguter Mensch zu fühlen, alles möglich dank Ehrenamt, hurra, hurra, hurra!

Rumballern mit Weihen

Nirgendwo geht diese Kombination aus moralischer Selbstüberschätzung und längst nicht nur struktureller Gewalt eine perfidere Symbiose ein als bei dem Sauf- und Zündelverein „Freiwillige Feuerwehr“, einer Organisation, die ideologisch und im Gewaltpotenzial in etwa der amerikanischen National Rifle Organisation entspricht – nur dass bei der NRA niemand davon tönt, beim Rumballern auch noch den höheren Weihen eines Ehrenamts genüge zu tun.

Dieser spezifisch deutsche Nachkriegswahnsinn, eine hochriskante Spezialistentätigkeit von Hunderttausenden angelernten Bierdimpfeln und latenten Pyromanen ausführen zu lassen, wird nur deswegen nicht gebührend kritisiert, weil praktisch keine Gruppe schneller mit manifesten Gewaltdrohungen bei der Hand ist – und weil es so wenig professionellen Ersatz gibt. Tatsächlich ist nur ein verschwindend geringer Teil von Brandbekämpfern in Berufsfeuerwehren organisiert. Laut Wikipedia gibt es in Deutschland 1.082.858 Feuerwehrler, davon sind lediglich 27.603 (!) Berufsbrandkämpfer. Zum Vergleich: Es gibt 237.700 Ärzte in Deutschland, davon beträgt die Anzahl ungelernter Laien mit psychischen Problemen ca. 7.000 (eigene Schätzung).

Wer gegen diesen bizarren Mummenschanz aufbegehrt, wird jedoch sofort mundtot gemacht – denn es handelt sich ja um ein Ehrenamt! Ehrenamt, Ehrenamt – kaum ein Wort, das einen höhnischeren Klang erhält, als wenn einem ein besoffener Halbwüchsiger mit dem Hochdruckschlauch die Küche zerlegt, weil der Römertopf zehn Minuten zu lang im Ofen war – und für diesen geheiligten Vandalismus auch noch eine Rechnung über vierstellige Beträge schicken darf!

Kein Wunder, dass alle drauf abfahren: Der Staat spart Geld in der allgemeinen Fürsorge, kann sich aus noch mehr Lebensbereichen zurückziehen und das Feld dilettierenden Zeigefingertypen mit Profilneurose überlassen statt teuer ausgebildeten Fachkräften. Die Wirtschaft dankt es ebenfalls, denn für die Fürsorge müsste sie ja Steuern zahlen – so kann sie einfach den Restmüll vor die Tür stellen und vom Ehrenamt verteilen lassen.

Nein, kein Zweifel, das Ehrenamt ist systemnotwendig – umso wichtiger ist es, es so schnell und so hart wie möglich zu bekämpfen. Schlagen Sie Suppenköchen die Kelle aus der Hand! Drehen Sie Feuerwehren den Hahn ab! Und hoffen Sie mit uns auf eine ehrenlose Zukunft.

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10 Kommentare

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  • Eine Satire, die voll in die Hose ging.



    Dies ist ein Artikel zum Ehrenamt, der mir sehr misslungen scheint. Zunächst war ich im Zweifel, ob es nicht eine Satire sein könnte, aber das gibt der Text nicht her. Es ist eine haltlose Diffamierung von ehrenamtlich Tätigen. Obwohl mir selbst die Ironie nicht fremd ist, konnte ich nirgends ein Augenzwinkern erkennen. Es wird voll über die Ehrenamtlichen hergezogen, doch uns in eine Reihe mit einem hannoverschen Freund des putinesken Exkanzlers zu stellen, empfinde ich schon als ehrverletzend. Wenn sich Reiche und Superreiche aus Langeweile bei irgendeinem kurzzeitigem singulären Ehrenamtseinsatz von vorne und hinten ablichten lassen, um durch alle Gazetten zu geistern, so kann das kein Alibi sein, um Hunderttausende von ehrenamtlichen Helfern oder Vereinsvorständen unterhalb der Gürtellinie zu diffamieren.



    Nach einer intensiven Befragung von Dr. Google beschied mir dieser, dass der Autor Leo Fischer ein Titanic-Redakteur und tatsächlich seines Zeichens Satiriker sein soll. Es scheint so, dass mir wesentliche Kompetenzen abhandengekommen sind, denn ich konnte selbst aus einigen - je nach Blickwinkel auch als unverschämt einstufbaren – Überzeichnungen nicht auf eine Satire schließen. Dazu fehlt noch einiges, es ist einfach zu plump, um irgendwo ein kleines Leuchten der der Satire innewohnenden Intelligenz zu erkennen.



    Da hat die TAZ sonst mehr Niveau.

  • Wie schlimm ist das denn? Das Ehrenamt wird hier in einer Art und Weise verunglimpft dass es wehtut. Viele Menschen gehen mit Herz und Verstand in eine freiwillige und Sinn stiftende Tätigkeit. Und das ist auch gut so. Neben dem Effekt für eine soziale und demokratische Gemeinschaft können auch auf diesem Weg Menschen zurück in die Gesellschaft finden oder es wird Einsamkeit vermieden. Dieser Beitrag ist eine einzige Beleidigung des Ehrenamts - auch wenn man versucht zwischen den Zeilen zu lesen. Lutz, Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen im Land Brandenburg

  • Soll das lustig sein?

  • Was lernen wir daraus? Auch wenn ich mich ein wenig im Reich der Spekulation bewege, ungefähr Folgendes: Herr Fischer hat im Vollsuff seine Küche (beinahe) abgefackelt, einer der örtlichen Feuerwehrler hat ein wenig überreagiert, und Herr Fischer hat nun zusätzlich zum Dach- auch noch einen Wasserschaden. Wieso er darin einen Grund sieht, über sämtlichen Ehrenämtlern kübelweise Scheiße auszukippen, wird wohl nur er selbst wissen. Kurz: Wir lernen aus diesem Artikel weit mehr über Herrn Fischer als über Ehrenämt(l)er, und so war's ja sicher auch gemeint, aber was um alles in der Welt hat das mit Ehrenamt zu tun?.

    • @HP Remmler:

      Das Ehrenamt ist Ausbeutung zugunsten der Reichen. Mal ganz plakativ formuliert.



      Die Ehrenämtler werden m. E. wie kleine Kinder für Lob und gute Worte ausgenutzt (die "Aufwandsentschädigung" ist m. E. eine Art Bestechungsgeld, und ein viel zu kleines noch dazu). Für diese Tätigkeiten muss|müsste eine gute, überprüfbare Ausbildung gemacht worden sein und sie müssen ordentlich bezahlt werden – nixx für umme – wie alle anderen Berufe|Tätigkeiten auch.

      • @Frau Kirschgrün:

        Aha...



        ich hab 15 Jahre lang ehrenamtlich jugendferienfreizeiten betreut.



        und engagiere mich jetzt seit fünf Jahren vereinsorganisiert in Sachen sub-Kultur, die auch Leuten dies nicht so dicke haben, teilhabe ermöglicht.



        Wo da Ausbeutung zugunsten reicher ist, müsste mir jemand erklären...

  • Noch schöner wäre der Artikel wenn nicht ein Großteil der Beleidigungen behindertenfeindlich wären. 😢

  • Sehr guter Artikel. Danke dafür.



    Habe 1x wöch. mit verschiedenen "Damen" in der Nachmittagsbetreuung (als ausgebildete! Betreuungsassistentin) von Menschen mit Demenzerkrankung "ehrengeamtet", und so weiß ich, dass der Autor den Nagel auf den Kopf getroffen hat.



    M. E. ist Kompetenz oberstes Gebot für die Ausübung dieses|eines Ehrenamtes – in persönlicher, psychischer, empathischer und mitmenschlicher Hinsicht, und muss entsprechend eben nicht als Ehrenamt, sondern als hochnotwendige, gut ausgebildete Tätigkeit im Rahmen der Daseinsvorsorge GUT bezahlt werden.







    Aber es ist ja kein Gewinn damit zu machen.



    Tja, Pech für alle, die diese Tätigkeiten benötigen – und zwar sogar meist in geschützten Räumen benötigen würden, was aber im derzeitigen System "Ehrenamt" nicht (immer) gewährleistet ist, und eher das Gegenteil von geschütztem Raum möglich macht (Machtmissbrauch, Pädophilie, Gewaltausübung).







    Als Erfahrungsbericht zu verstehen.

  • Aber aber lieber Leo,



    nicht immer nur nach unten gucken!

    "Nein, kein Zweifel, das Ehrenamt ist systemnotwendig – umso wichtiger ist es, es so schnell und so hart wie möglich zu bekämpfen."



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    Denk man an die vielen "Ehrenämtler" mit Aufwandsentschädigung im Fußball, großen Vereinen, Verbänden, Bei-& Aufsichtsräten (ADAC, DRK, VDI usw.) die ihre gesamte Kraft & Zeit für eine wirklich verschwindend geringe Entschädigung, die auch mal 5-6 stellig seen kann, zur Verfügung stellen.



    .



    Also nicht nur den "verdrucksten" Blockwart bei der Tafel, den feierseeligen an der Spritze (nicht missverstehen, Bier ist KEINE Droge, ist ein Grundnahrungsmittel) sehen,



    Die "Gau-usw Leiter, die "Verbands-& Verbindungspräsidenten" selbst die armen geläuterten "Kanstis" die in Fußball wieder eine "Erfüllung" fanden, solltest du nicht vergessen.



    .



    Heilige Maria 2.0 bitte für uns! Selbst DIE, im Ehrenamt als unbezahlte Gottesmutter, hat wohl keinen Audienz bei den "Angestellten mit Bezahlung" bei dem Thema!



    .



    Aber ohne Ehrenamt geht es in DE nicht! Der eine macht den Capo in der Suppenküche, der andere den Stachanow "des Fußballs" (nachdem er, wie im Süden üblich, milde "gebüsst" wurde. Ich warte immer noch auf das BUCH:



    Die Angst des Vorstands von der Steuerprüfung!



    Untertitel "Mein "Waden"-K(r)ampf" oder "wie ich Bayern zu Weltgeltung brachte"!



    .



    Also Ähre, wem Ähre gebührt oder wie es der Dichter so schön sagt:

    Ähre der Arbeit (c) F. Freiliggrath

    Wer den wucht'gen Hammer schwingt,



    wer im Felde mäht die Aehren,



    wer ins Mark der Erde dringt,



    Weib und Kinder zu ernähren,



    wer stroman den Nachen zieht,



    wer bei Woll und Werg und Flachse



    hinterm Webestuhl sich müht,



    dass sein blonder Junge wachse:



    (...)



    Passt doch in unsere wi(e)der erwachende naturverbundene SUV fahrende Nation!



    .



    Jedem Profi machen "Amateure" z.B. im sozialen Arbeitsfeld massive Bauchschmerzen aber sie sind "so schön billig" & decken die Probleme wenigstens notdürftig zu!



    .



    Ährenvoll dein Einsatz



    Lieben Gruss Sikasuu

  • Was soll der Artikel? Die meisten Ehrenämtler üben ehrenvolle Tätigkeiten aus. Freiwillige bei der Feuerwehr sind keine Ehrenämtler. Ihr letzter Absatz ist einfach strohdumm.