Die Wahrheit: Diebe in Dosen
Plagen der Immobilienwelt: Bauarbeiter mit frühem Dienstbeginn laden Kaffeemühlendiebe in die Wohnungen vermeintlicher Enkelbesitzenden ein.
D ie Bauarbeiter, die seit zwei Jahren jeden Morgen (inklusive samstags) um 6.30 Uhr die Bandschleifmaschine anschmeißen, um damit zwei Stunden lang freundlich kreischend unser Vorder- und Hinterhaus, den Seitenflügel und sämtliche Nachbarhäuser aufzuwecken, bevor sie zum täglichen Begleithämmern übergehen, lassen bereits genauso lange die Tür zum Hinterhof sperrangelweit offenstehen. Aber ich mache mir keine Gedanken, dass jemand das ausnutzen und uns ausrauben könnte. Jeder weiß doch, dass Räuber ausschließlich Omas ausrauben.
Vor allem haben Räuber es auf Hand-Kaffeemühlen abgesehen, die „Alles neu macht der Mai“ spielen, unsere hochmoderne „Krups 75“ würden sie naserümpfend in die Ecke pfeffern. Da wir unser karges Gespartes auch nicht in Strümpfen unter dem Bett aufbewahren, so wie das bei Omas üblich ist, passiert uns garantiert nichts.
Als weitere Diebstahlschutzmaßnahme habe ich mir bereits vor Jahrzehnten angewöhnt, unsere Wohnung permanent im „Schon durchwühlt und ausgeraubt“-Zustand zu halten. Das ist gar nicht so einfach, manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich gedankenlos ein paar Ecken aufräume oder beginne, Dinge vom Fußboden in die Regale zu legen. Glücklicherweise fällt mir das immer noch rechtzeitig auf.
Falls es also je ein Räuber bis in unsere Wohnung schaffte, würde er nur einen kurzen Blick auf das Chaos werfen, murmeln: „Diese Kreuzberger sind tatsächlich noch mittelloser als ich“, und schnell nach Schöneberg abdampfen. Den Schatz meines Besitzes, meine teuren, in der Schweiz handgefertigten, multifokalen Kontaktlinsen, würde er eh nicht als wertvoll erkennen, und was sollte er auch mit ihnen anfangen? Auf dem Schwarzmarkt eine Fehlsichtige mit genau dem gleichen Dioptrienwert und der gleichen Hornhautverkrümmung finden?!
Interessiert nicht die Dose
Sorgen mache ich mir demnach keine, und da ich noch keine Oma bin, wird auch der Enkeltrick bei mir kaum zur Anwendung kommen. Ich wüsste eh, wie ich mich zu wehren hätte: Der Enkeltrick beginnt normalerweise per Telefon mit der Frage „Rate mal, wer hier ist?“. Auf diese Frage antwortet man: „Ist da etwa mein lasterhafter Enkel XY, der mir 500.000 Euro schuldet?! Du wolltest mir das doch längst zurückzahlen, du Lump!“
Dann verstrickt man den Räuber in ein Gespräch, um Treffpunkt und Zeit auszumachen, wann und wo man die 500.000 Euro von ihm abgreifen kann. Das Geld legt man in teuren alten Schallplatten an oder in Second-Hand-Designer-Kleidung. Sofern ein potenzieller Einbrecher nicht Chef-Styler oder Beatles-Nerd ist, entgehen ihm die Möglichkeiten, und er zieht wütend und kopfschüttelnd darüber, dass „diese Kreuzberger jeden Müll sammeln“, wieder ab.
Man darf bloß nicht den Fehler machen, das Geld in einer alten Kaffeedose zu deponieren. Denn, wie gesagt, wenn der Räuber die Mühle mitnimmt, interessiert ihn auch die Dose.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!