Die Wahrheit: Die eingefleischte Püttlingerin
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Die provinzielle Herleitung der Annekampf Krieg-Grätenhauer.
„No jokes on names“, murmelt Annekamp Gret-Knarrenbauer in nicht knitterfreiem Englisch und streicht sich vor dem Spiegel über ihre kurze, den Kopf hinreichend versiegelnde Frisur. Was für das ungeübte Ohr wie ein Verdikt klingt, ist tatsächlich von Wehmut durchsäuert:
Von Wehmut an die Zeit, als Journalisten sich über ihren Doppelnamen ausspritzten statt über ihre müffelnden Meinungen im Asylrecht, nach gestern schmeckenden Überzeugungen in Geschlechterfragen oder ihren Wunsch, quer zur CDU liegende Meinungsäußerungen im Endkampf einer Wahl abzuschaffen. „Ach, die Dummchen mit ihren Späßen wie Annekram Krach-Krempelbauer, Annekalk Krumm-Knochenhauer oder Annegret Kramp-Karrenbauer, die … halt! So heiße ich ja wirklich“, seufzt sie und schwimmt in Nostalgie: „Warum nur lässt niemand mehr solche Namensscherze raus ins Freie!“
Jahrzehntelang hingen die wie Flusen an ihr. Bald nach der Hochzeit mit dem Bergbauingenieur Karrenbauer vor 35 Jahren war das Geschmunzel in die erste Runde gegangen. Sie nahm es leichten Gemütes hin, zumal jeder Witz auf ihren knorpeligen Doppelmoppelnamen sie nur bekannter machte.
Noch im selben Jahr 1984 ging sie im Stadtrat ihres Heimatortes Püttlingen vor Anker und erwarb in der Kommunalpolitik (von Püttlingen!) jene feuerfesten Nerven aus Beton, die es ihr am Ende sogar erlaubten, über Püttlingen hinauszugreifen (jawohl!), sich das darum herumliegende Saarland zu schnappen und am Ende nach ganz Deutschland zu langen – dabei sogar einen Recken wie Friedrich Merz umzuhauen, der sich für unsinkbar hielt!
Allseits entwickelte Persönlichkeit
Doch der Reihe nach: 1999 zog sie in den Saarländischen Landtag um und durfte schon im Jahr darauf als ausgewiesene Innen- und Sportpolitikerin die frei gewordene Stelle einer bombensicheren Innen- und Sportministerin auffüllen. Nachdem sie in den folgenden Perioden auch die Posten als ausgemachte Familien- und Frauenministerin, eingefleischte Bildungs- und Kulturministerin, geborene Arbeits- und Sozialministerin sowie gottgewollte Justizministerin abgegrast hatte, wurde sie 2011 folgerichtig zur allseits entwickelten Persönlichkeit hochgestuft und in Saarbrücken als Ministerpräsidentin eingeschult.
Zwar regierte sie nur das Saarland, ein Gebiet, das man mit bloßem Auge überschauen kann. Aber sie wuchs darüber hinaus! Bislang nur einer handbreit großen Öffentlichkeit bekannt, wurde sie Anfang 2018 von der CDU als Generalsekretärin eingepreist, und als sie am 7. Dezember 2018 nach Gottes Geburt als Bundesvorsitzende endgültig die christlich unierte Partei unter ihre Schinken bekam, ward sie geradewegs die Stellvertreterin des Allmächtigen in der deutschen Politik.
So weit hatte niemand gerechnet, als die Kanzlerkandidatin und CDU-Vorsitzende 1962 in Püttlingen (Sie erinnern sich?) auf die Welt rollte. In dem keine 20.000 Einwohner wiegenden Städtchen (namens Püttlingen) mit seiner abgestorbenen Kohleförderung wuchs sie als eines von sechs ähnlichen Geschwistern auf, lernte einen Mann kennen (in Püttlingen!) und zog mit ihm an den Stadtrand (von Püttlingen, warum fragen Sie?), um eine richtige Püttlinger Familie mit drei Püttlinger Kindern hervorzubringen und aufzustellen.
Mit dem Besuch des Gymnasiums in Völklingen (zu Ihrer Orientierung: nahe Püttlingen) sowie der Universität Saarbrücken (richtig: unweit Püttlingen) hatte sie hinreichend die Nasenspitze hinausgehalten, sodass man ihr, wie oben bewiesen, das Saarland rund um Püttlingen ruhig in die Hand legen konnte. Da zeigte sie erst in einer Schwampel mit Grünen und Gelben und dann in einer GroKo mit den Roten, dass sie außer ihrer eigenen Partei auch andere regieren kann. Das ist der Grund, weshalb Angela Merkel sie 2018 aus dem großen Topf zog und zu ihrer Erbin auf dem Kanzlerthron bestimmte.
Doch wird sie Deutschlands Zepter und Apfel je erringen? Umwelt gibt es in Püttlingen nicht, deshalb hat sie von Klimapolitik keinen nackten Schimmer; Armut gibt es in Püttlingen ebenso wenig, weil die Leute ja mit Hartz IV gemästet werden, weshalb sie nichts von einer noch stärker gewürzten Sozialpolitik hält. Und in Frankreich aufgeplatzte Ideen von einem europäischen Mindestlohn und einer europaweiten Grundsicherung kommen ihr sowieso nicht in den Hals, zumal Europa sein Geld besser nutzt, um sich zu einer echten Kriegsmacht aufzuheizen.
„Außerdem muss der Staat von morgens bis abends sparen“, weiß sie, „weil wir die Unternehmenssteuern tieferlegen wollen. Arbeitgeber sind schließlich gemeinnützig, weil sie Arbeitsplätze spendieren. Sehen Sie, ich denke eben an die Menschen!“ Deshalb muss auch der Grenzschutz stark aufgeheizt werden. Schließlich sollen sich keine Ausländer einschleichen, oder nur solche, die der Verwertung durch Arbeit zuführbar sind.
Doch genug! Sie hat ja zum Mäusemelken recht: Wie viel mehr Spaß machen da doch Namensscherze auf Annekampf Krieg-Grätenhauer!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen