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Die WahrheitGeneralsekretärin mit Männeroktett

Susanne Fischer
Kolumne
von Susanne Fischer

Es gibt sie immer noch, die kleinen Fürsten der dreisten Männlichkeit – zum Beispiel in Autowerkstätten auf dem Lande.

W ie wird man Generalsekretär? Ist es zwingende Voraussetzung, mit Annegret Gramp-‑Garrenbauer zu tanzen? Und wieso soll Generalsekretär was Tolles sein, obwohl Sekretärin nicht gerade vor Hipness dampft und inzwischen Business Key Account Management Assistent SubAssistent m/w heißt? Der Generalsberuf ist übrigens seit damals, als alle anständigen Deutschen dem Volk seinen Raum erkämpfen wollten, auch nicht mehr völlig unumstritten.

Einige haben immer noch Lust auf mehr Raum. Neulich, in Autowerkstatt eins – ich wohne auf dem Lande, habe aber trotzdem zwei Werkstätten zur Auswahl, die beide recht klein sind, also neulich, ich warte gerade auf mein Auto und halte mit den beiden Mitarbeiterinnen einen gemütlichen Kaffeeplausch. Vorn in der Werkstatt, alles voller Kaffeeduft und Östrogen, kommt ein älterer Mann rein, den wir Horst nennen wollen und ruft: „Drei Frauen zusammen in einem Raum, da kann man ja mal ’ne Atombombe reinwerfen!“

Horst blickt sich beifallheischend unter den verblüfften Zuhörerinnen um. Nach „Islamischem Staat“ sieht er jetzt aber nicht direkt aus. Nach dem Klub der klugen Köpfe allerdings auch nicht, sonst wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass er gerade ein Selbstmordattentat vorschlägt. Im folgenden ruft er uns dreien zu, er würde sich von uns scheiden lassen, wenn er mit uns verheiratet wäre, weil wir ohne Ehemänner in Urlaub fahren und Widerworte geben. Da bräuchten wir nicht mehr nach Hause zu kommen!

Sie sind bestimmt Generalsekretär, sage ich. Er ist aber Fahrlehrer im Ruhestand, was ehemals eine ähnliche Machtposition gewesen sein dürfte. Und das Machtgefälle wirkt auch schon: Gleich taste ich unauffällig nach meinen Führerschein, um ihn nicht zu verlieren und in Horsts Fänge zu geraten.

Sicherheitshalber suche ich beim nächsten Mal Autowerkstätte zwei auf. Der dortige Generalsekretär liegt im Krankenhaus, deshalb kann sein junger Vertreter jetzt punkten. Er geht nach hinten Richtung Lager, wo nur die Männer rein dürfen, und brüllt: „Halt die Schnauze, du Idiot!“ – „Ich habe doch gar nichts gesagt.“ – „Eben. Trotzdem.“

Tucholsky fragte sich einst, wie man Generaldirektor wird, und hielt es für denkbar, dass man eines Morgens aufwacht und ein Männeroktett einen Huldigungsgesang anbringt. Das hätte ich auch gern. Generalsekretärin mit Musik.

Noch lieber, als selbst General zu werden, hätte ich aber einen Generalsekretär zur Verfügung. Er soll meine Schuhe putzen, die Steuererklärung machen und nebenher Koalitionsverhandlungen führen. In seiner Freizeit leitet er ein Männeroktett und fährt meinen Wagen in die Werkstatt. Und ich spaziere hinterher und rufe: Drei Männer in einem Raum? Da kann man doch mal nach Hause gehen und Kaffee trinken. Eben. Trotzdem.

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Susanne Fischer
Autorin
Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)
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1 Kommentar

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  • Falls es beruhigt: Horst hätten Sie nicht mehr sehen müssen, den Ersatzschein besorgt die Stadtverwaltung.