piwik no script img

Die WahrheitKein Gift vor Weihnachten?

Irgendetwas ist komplett anders vor den weihnachtlichen Festtagen in diesem Jahr. Die Nicht-Skandalübersicht der Wahrheit.

Hier wird kein Schadstoff, sondern Puderzucker dem Weihnachtsstollen zugeführt Foto: dpa

Kein Vertun: Es weihnachtet auf Teufel komm raus. Die Innenstädte sind vollflächig holzvertäfelt. In den Nachbargärten wackeln illuminierte Elchrudel mit den Geweihen. Und wenn dieser Tage jemand „Stollen“ sagt, dann spricht er nicht von harter Maloche unter Tage, sondern von mit Trockenfrüchten gespickten Hefegebäckklumpen watzmannähnlichen Ausmaßes.

Dem äußeren Anschein nach ist also alles wie alle Jahre wieder? Kann man so nicht sagen. Denn wenn, dann würde die Nachrichtenlage jetzt aber langsam mal einen schicken Lebensmittelskandal raushaun. War eigentlich immer Verlass drauf. Sobald das christliche Abendland sich aufs höchste aller Fressfeste vorbereitete, konnte man seine Omma drauf verwetten, dass irgendwas mit Gift kam: Frotzschutzmittel im Glühwein, Würmer im Karpfen, Vogelgrippe in der Hafermastgans.

Und wenn, selten genug, selbst in der Abteilung tote Hose war, sorgte wenigstens die Stiftung Warentest mit einem zünftigen Warnhinweis für Rabimmel, Rabammel, Rabumm: „Formaldehydpegel in Plüschtieren bedrohlich angestiegen. Teddybären, Pinguine und Weihnachtshasen hochgradig verseucht. Vorsicht, Kinder! Nicht in den Mund nehmen!“

Aber in diesem Jahr? Ist denn so gar keine Gefahr im Verzug? Im Kranz brennt bereits die erste Kerze, und nirgendwo ploppt irgendwas mit „Gammelfleisch“ oder „Fischwürmern“ auf?

Kompliziertes im Fleisch

Als gäbe es überhaupt keine Anlässe. War da vor Kurzem nicht mal für ein paar Sekunden irgendwas mit Polychlo … Bi … nyle … puh, ist das kompli … kann man ja kaum aussprechen, geschweige denn schreiben. Ja, stimmt. Aber essen kann man es. Wenn es im Schweinefleisch ist. Oder in Hühnern. Oder in Hühnereiern.

Früher war mehr Lamento. Mit einem zünftigen Warnhinweis sorgt aber wenigstens die Stiftung Warentest für Rabimmel, Rabammel, Rabumm!

Wie heißt das? Polychlorier … ach, weißte was: PCB. Oder mal auf den Punkt gebracht: Macht Krebs. Ist seit vierzig Jahren verboten. Geht aber nicht so schnell weg. Außer wenn der Lack ab ist. Zum Beispiel in Getreidesilos. Und deswegen ist es, wenn man nicht aufpassen will … – Überraschung: im Tierfutter. Skandal! Nein, falsch. Großer Skandal! Könnte man wochenlang „Tagesschauen“, „Brennpunkte“ und Internetze mit vollmachen. Findet aber, wenn überhaupt, am Rande statt.

Weil in dieser besinnungslosen Vorweihnachtszeit offensichtlich was anderes wichtiger ist. Ja, was denn? Zum Beispiel, dass das Kraftfutter für unsere schicken Mittelklasse-SUVs immer teuer wird. Zum Beispiel, dass eine Bundesbildungsministerin findet, dass Homosexualität irgendwie unnatürlich ist. Oder sogar ansteckend? Zum Beispiel, dass die Hirnblähungen eines nordamerikanischen Regierungschefs … ach, wissen Sie was? Den lassen wir jetzt einfach mal weg.

Kein Vertun: Wenn man nach draußen guckt, weihnachtet es auf Teufel komm raus. Bin mal gespannt, ob auch die Nachrichtenlage im Advent noch zu sich selbst, also wieder zur Normalform findet. Das Einzige, was derzeit darauf hindeutet, ist die inflationäre Berichterstattung über die weltbewegende Frage, ob ein Münchner Fußballverein wie jedes Jahr vor Weihnachten seinen Trainer rausschmeißt.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Themen #Gift
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Doch, doch, es gibt etwas: der Adventskranz und die NOxe.

    www.heise.de/tp/fe...zwert-4235313.html

  • So lasst uns nun schlemmen und feiern auf den Giftbergen, im Plastikmeer oder in frischer Stadtluft mit den paar giftigen Gasen.



    Es ist gerichtet!



    Frohe Weihnachten!

    • @amigo:

      Ja, lasst uns Schlemmen auf den Giftbergen dieses Kontinents! Denn die Alternative für Deutschland wäre: Business as usual in Sackleinen und Asche. Und das ändert ja schon zwischen Anfang Januar und Ende November rein überhaupt gar nichts. Weil: Wer gar nicht schlemmen will, braucht sich auch nicht darum zu scheren, ob es dem Körper gut tut oder nicht. Und alle anderen sagen sich schlicht: Ihr könnt mich mal! Zwingt mich doch, wenn ihr denkt...!