Die Wahrheit: Tellkamp im Gesinnungskorridor
Der Dresdner Autor sieht sich als Einmannunternehmen umzingelt von linken Tonangebern wie „Focus“ und Bild“, „FAZ“ und „Welt“.
V ielleicht sollte man doch einfach der alten Fußballer-Weisheit folgen und mal die Räume dicht machen. So aber steht er halt offen, der „Gesinnungskorridor“, durch den der Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp jammernd auf und ab schreitet. Und wohin er sich auch wendet, am Ende landet er, Fluch der Geometrie, in einer „rechten Ecke“, wie er bei einer Podiumsdiskussion im März beklagte, obwohl er da doch gar nicht hingehöre. Ein Schicksal übrigens, das er mit vielen Freunden des freigeistigen Diskurses von Antaios-Verleger Kubitschek bis Vogelschiss-Gauland und Großspenden-Weidel teilt.
Tellkamp führt seine Klage angesichts der „Erklärung der Vielen“ von Kulturinstitutionen, die sich gegenseitige Unterstützung bei Angriffen von rechts versprechen, sowie der Kritik an einer Dresdner Buchhändlerin, die auch dauernd in die vermaledeite rechte Ecke gestellt wird, nur weil sie fortwährend Rechte in ihrem Laden hofiert. Das ist gemein!
Weshalb Tellkamp in einem offenen Brief auf dem Blog Sezession.de, das von vielen, nun ja, in der rechten Ecke verortet wird, fragt: „Wer ist es denn, der keinen Widerspruch verträgt?“ Er etwa und seine Kumpels, die „paar rechten oder als rechts verschrienen Einmannunternehmen“? Oder nicht doch „die politisch sich links oder bei den Grünen verortenden Tonangeber in weiten Teilen unserer Medien“, zu denen Tellkamp originellerweise auch Focus, Bild und „mindestens gespalten“ FAZ und Welt rechnet. Alle böse außer Mutti also. Ach nee, die ja auch.
Angesichts der vielen dort ausharrenden Medienvertreter passt das Volk leider in den Gesinnungskorridor nicht mehr hinein und weicht deshalb in die sozialen Medien aus, die „ein Ventil für Stimmen, die anderswo keine Chance mehr haben, gehört zu werden“ sind. Die Standardklage von Leuten, die Welt-online-Leserkommentare für ein repräsentatives Abbild der Bevölkerung halten.
Ich schreib es nicht gern, aber für Tellkamp muss man wohl noch mal darauf hinweisen: In diesem Land herrscht kein Gesinnungskorridor, sondern der Kapitalismus. Und die Leute scheren sich in der Regel einen Dreck um „die Moral einiger Edelignoranten in Kirche, Kultur, Medien“, sonst würden sie nämlich nicht schon zum Frühstück eine Tasse Mett aus einem Einmalbecher mit Plastikdeckel verschlingen, bevor sie im panzerähnlichen SUV bei laut aufgedrehter Helene Fischer atemlos zur Arbeit düsen.
Und wenn sie das ganze Zeug, das von Bild bis Zeit so weggedruckt wird, nicht lesen wollen würden, sondern eher auf das völkische Geschwurbel der rechten Einmannunternehmen stünden, dann wären das bald keine Einmannunternehmen mehr, sondern Konzerne wie der Springer-Verlag eben.
Weshalb draußen auf dem Gesinnungskorridor halt doch womöglich nicht die gesamte Medien- und Kulturlandschaft, sondern einfach nur ein Pferd steht. Beziehungsweise im Fall des Uwe Tellkamp wohl eher ein ausgemachter Ochse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis