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Die WahrheitAuf dem Fallschirmpferd

Deutschlands Reiter hegen hochgespannte Erwartungen: Es geht um den kürzlich ins Leben gerufenen „Parlamentskreis Pferd“.

Irritiert nehmen die Betroffenen die politischen Entwicklungen zur Kenntnis Foto: AP

Da wieherten Presse und Öffentlichkeit: Trotz aller Querelen rund um die Große Koalition hatte SPD-Chefin Andrea Nahles zur Gründungssitzung des „Parlamentskreises Pferd“ in den Berliner Reichstag geladen. Der überparteiliche Arbeitskreis will Themen rund um das beliebteste vierbeinige Reittier (Pferd) beackern und die zahlreichen Metaphern mit Pferdebezug totreiten. „Wir wollen zuvörderst Scheuklappen abbauen, als Steigbügelhalter für Interessierte dienen – und das nicht vom hohen Ross herab“, erklärt Nahles und grinst wie ein Honigkuchenwallach. „Das Tier selbst mag an Bedeutung eingebüßt haben, in der Sprache hingegen tritt uns täglich das Pferd, und zwar entgegen.“

Neben Nahles bilden Alois Gerig und Dieter Stier (beide CDU) sowie Pascal Kober (FDP) den Kreis, der mit dem Pferd geht. „Das ist natürlich lustig, wie ich heiße“, lacht Dieter Stier. „Dieter, hahaha! Den Namen wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht.“ Müsste er als echter „Stier“ nicht eher den Parlamentskreis Rind gründen? „Stimmt! Aber ich Ochse habe schon immer gern aufs Fallschirmpferd gesetzt. Was bedeutet das überhaupt?“

Die Nachricht von Angela Merkels Verzicht auf den Parteivorsitz erreichte selbstverständlich auch Stier – wie immer per berittenem Eilboten, Tage nach allen anderen. „Potztausend, habe ich gedacht! Stier, wie wär’s? Du auf dem Kutschbock der CDU, einmal die Zügel in der Hand halten, vielleicht bald auch als Bundeskanzler Stier? Es wäre mein Husarenstück.“

Politischer Peitschenknall

Ein Bundeskanzler im Parlamentskreis Pferd käme allerdings einem Peitschenknall gleich. Doch wie immer, wenn in der Politik Großes auf die Beine gestellt werden soll, fragt sich auch hier ein jeder: Was bedeutet das konkret, zum Beispiel für das kleine Pony auf dem Acker nebenan? Hat es denn durch die Initiative am Ende ein paar Rüben mehr in der Backentasche?

Benjamin Weissinger ist promovierter Pferdeflüsterer und Erbe eines traditionsreichen Gestüts im Siegerland. Auf seinem falben Hof schnitzt er gerade für die Miniponydressur eine frische Gerte aus Bonsaiholz. Fragt man ihn nach dem Parlamentskreis Pferd, holt er sein Smartphone heraus und googelt zunächst die entsprechenden Meldungen, schnitzt bedächtig weiter und schweigt. „Ich erhoffe mir vor allem mehr Geld“, sagt er schließlich mit knarziger Stimme. „Von außen betrachtet, sind beim Reitsport riesige Summen in Bewegung, doch dieser Blick verzerrt meine Perspektive. Es könnten weitaus größere sein.“

Dann steigt er auf sein Spielpferd aus Rosskastanie und pest hinüber zum Stall. „Bei kurzen Strecken schone ich meine edlen Tiere lieber“, erklärt Weissinger im Absteigen. „Zu diesem Behuf sporne ich den Holzklepper, um dennoch herrschaftliches Gefühl zu bekommen. Inzwischen ist dieses herrliche Reitgerät sogar eine Art Hobby von mir geworden, ich möchte fast sagen: ein Steckenpferd!“

Was bedeutet die große Politik für das kleine Pony auf dem Acker nebenan?

In den Stall dringt wenig Licht, es riecht nach Mist und Mast. Ein Hengst mit zottiger Mähne wiehert ängstlich. „Reich mir die Flosse, Zosse!“, begrüßt Weissinger freundschaftlich das nervöse Viech. „Das ist Kleiner Onkel. Früher unser bestes Pferd im Stall, heute von der Zucht leider völlig abgekoppelt. Die schwedische Vorbesitzerin hatte ihn für Bodybuilding-Übungen missbraucht, davon wussten wir nichts“, berichtet Weissinger schäumend.

Irgendwann habe sich Kleiner Onkel auf die Hinterbeine gestellt und nicht mehr decken wollen. „Da konnte ich ihm noch so viele Pferdkeleien zuflüstern, er blieb bockig wie ein Esel.“ Hier könne er nicht mehr bleiben, der verrückte Gaul müsse dringend in ein Heim. „Nur von welchem Geld, von meinem?“ Weissinger schüttelt den Kopf. „Eher geht ein Camargue durch ein Naziohr.“

Zauselige Tigerschecke

Doktor Weissinger schlägt vor, dass der Parlamentskreis Pferd den zauseligen Tigerschecken im Bundestag unterbringt. „Mit Anton Hofreiter ist dort bereits ein prominenter Mähnenpflegefall vertreten, die Infrastruktur ist also vorhanden“, argumentiert die Rossnatur beschlagen. „Neben den abgehalfterten Bürohengsten sollte Kleiner Onkel nicht weiter auffallen, außer vielleicht durch Intelligenz. Frau Nahles verfügt doch über genügend Goldstücke, um mir die Satteltaschen damit vollzustopfen und ihn von meinem Hof abholen zu lassen.“

Ob der Parlamentskreis Pferd solche Wünsche erfüllt? „Wir möchten vor allem den Nachwuchs auf Trab bringen“, sagt Nahles. „Denn auch wenn viele Jugendliche angeblich Rappen toll finden: In Gegenwart von schwarzen Vollblütern wirken sie oft angespannt.“ Um hier Widerstände abzubauen, brauche es ein gutes Zugpferd. „Ich erhoffe mir zugleich mehr Begeisterung für Politik. Pferde und meine Genossen können, bislang vor allem eines gut: austreten.“

Beim alten Schlachtross SPD sitzt Andrea Nahles nach wie vor fest im Sattel, auch wenn an der Basis einige mit den Hufen scharren. Ihr Eintreten für Pferd und Reiter verschaffe ihr Sympathie in der Bevölkerung angesichts drängender Probleme in anderen Bereichen, glaubt sie und reitet auch noch das letzte Wortungetüm zuschanden. Denn einen Slogan für den nächsten Wahlkampf hat sie auch schon gefunden: „Yes wieher can!“ Wenn sie sich da mal nicht vergaloppiert hat …

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