Die Wahrheit: Und er hat sich stets bemüht
Wenn es doch so einfach wäre: Trotz bräsiger Faulheit kriegt es der Homo erectus nicht gebacken, von heute auf morgen auszusterben.
Der Frühmensch Homo erectus starb angeblich aus, weil er zu faul war. So schlicht lässt sich ein Bericht kürzlich auf Spiegel Online zusammenfassen. Ausgrabungen zeigen, dass der Homo erectus minderwertiges Gestein zur Herstellung von Waffen und Werkzeugen verwendete, das direkt vor seine Höhle rollte. Ganz in der Nähe hätte es deutlich geeigneteres Material gegeben.
Für dessen Gewinnung hätte er jedoch einen kleinen Abhang erklimmen müssen. Halbwegs adäquate Mühe gab er sich allenfalls mit primitiv verfertigten Liegestühlen, Betten und sogar Sonnenbrillen. Druckspuren an untersuchten Knochen legen nahe, dass der Homo erectus meist gelegen haben muss.
Überdies machten ihm Krankheiten zu schaffen, weil er stets in dieselbe Höhle schiss, in der er wohnte, aß und vor allem eben schlief. „Zu dumm zum Scheißen“, war denn auch eine Redewendung, die wohl dem emsigen und gewieften Homo sapiens zuzuschreiben ist. Der hatte nämlich längst ein simples Wasserklosett mit Bachanschluss konstruiert und einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert.
Auch vor Feinden war Homo erectus kaum geschützt. Kam ein Riesensägezahnfuchs oder gar der Homo brachialis mit seiner Keule vorbei, blieb er reglos im offenen Höhleneingang sitzen und hoffte, nicht gesehen zu werden. Doch Brachialis war zwar brutal, aber nicht blind. Der clevere und fleißige Homo studens hätte hier an dieser Stelle einfach nur die stabil und hübsch geschmackvoll gezimmerte Tür zugemacht, und Ruhe war.
Unser kleiner Faulpelz hingegen schrie stattdessen laut um Hilfe, sobald der Angreifer den ersten die Ömme einschlug. Leider verstand den Erectus noch nicht einmal die eigene Sippe – schließlich hatte keiner auch nur irgendeine Sprache erlernt, und sei es nur die eigene.
Das war natürlich sehr dumm. Denn nicht nur ein faules Aas soll der Homo erectus gewesen sein, sondern bei ihm brannten auch nicht alle Kerzen auf dem Kuchen. Sein Gehirn wies ein deutlich kleineres Volumen auf als das seiner Konkurrenten sowie des heutigen Menschen. Nicht die besten Voraussetzungen also, um sich im evolutionären Wettstreit gegen Streber und Überflieger durchzusetzen.
„Eräktus is dof“
Das verdeutlichen auch seine an Höhlenwänden aufgefundenen Zeugnisse. Jagen, Fallenstellen, Feuermachen, Materialkunde – in allen Fächern ausnahmslos ein „ungenügend“. Die Urheber der Zeugnisse waren natürlich die anderen: Homo sciens, Homo genialis und Homo schlaubergensis. Selbst ein arger Dummbatz wie der einfältige Neandertaler – hier zeigt sich, was schon allein ein Minimum an Fleiß vermag – brachte wenigstens irgendein Gekrakel hin: „Eräktus is dof.“
Nur der Homo erectus konnte weder lesen noch schreiben, noch höhlenmalen, aber auch das stand ja schon in seinem Zeugnis. Das Einzige, was er 1a beherrschte, war das Aufrichten und Stehen. Das langte zwar eine Weile perfekt für die Fortpflanzung (oder, wie es der Paläontologe Ceri Shipton von der Australian National University in Canberra ausdrückt: „Erectus war ein guter Ficker“), aber damit hatten sich seine Skills bereits erschöpft.
Und der Nachwuchs wollte ja auch ernährt und gekleidet, die Frau intellektuell gefordert und das Feuer geschürt werden. Scheidungsraten erreichten immense Höhen. Es war zwar wirklich toll, dass er praktisch immer konnte, aber auf lange Sicht wäre ein bisschen Grips auch gar nicht so übel gewesen.
Am schlimmsten waren die Winter. Denn Jagd war jetzt nicht so super sein Ding. Oft verhungerten ganze Gruppen, sobald ihnen die Früchte nicht mehr direkt in den Mund wuchsen. Auch zogen gemeinerweise die Tiere ihre Felle nicht freiwillig aus und lieferten sie beim Homo erectus ab wie an der Garderobe. Während also der rührige und patente Homo magister in seiner Pelzjacke aus Riesenwollhamster schwitzend durch den Schnee stiefelte, drängten sich die nackten Nichtstuer frierend aneinander und zeugten bei der Gelegenheit gleich noch mehr arbeitsscheue Vollidioten.
Aber er hat es immerhin fast zwei Millionen Jahre lang versucht, und zwar jeden Tag aufs Neue. Wenn ihm auf der Jagd schon nach wenigen Metern die schlecht befestigte Speerspitze vom Schaft bröselte, dachte er erleichtert: Na, hat ja sowieso keinen Zweck – ich leg mich besser noch mal hin. Zurück in der Höhle drehte er sich noch weitere viele tausend Male um, und ehe er sich versah, war er auch fast schon ausgestorben.
Nur einer Handvoll unserer trägen und unterbelichteten Ahnen ist es gelungen, ihre Gene durch den selbst geschaffenen Engpass zu schleusen. Ob Kim Kardashian oder Karl-Heinz Rummenigge, ob Europapolitiker oder Fifa-Funktionäre – wenn wir heute auf Menschenähnliche stoßen, denen es an jeglicher Aufgabe, Befähigung und Nützlichkeit gebricht, wissen wir: Hier hat ein Homo erectus seine Nische gefunden. Unkraut vergeht eben nicht.
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