piwik no script img

Die WahrheitSchlechte Kopien aus Holz

Kolumne
von Eugen Egner

D er seinerzeit von meinem Küchenradio aufgeworfenen Frage „Darf man zu Weihnachten schlechte Kopien von sich selbst aus Holz verschenken?“ verdankte ich die Anregung zu einem eigenen Versuch. Selbstverständlich war es nicht meine Absicht, schlechte Kopien von mir zu erzeugen, doch erwartete ich eingedenk meiner handwerklichen Fähigkeiten kein allzu gutes Ergebnis. Ich schrieb zunächst eine Liste des benötigten Materials.

Die Zutaten für mein erstes Projekt kaufte ich in der alten Ladenstraße. Sobald ich alles beisammen hatte, begann ich zu skizzieren, zu messen und zu rechnen. Dann sägte, bohrte, feilte, schliff, leimte und bemalte ich, bis – nach einigen minder tragischen Zwischenfällen – zuletzt eine hölzerne Kopie meines äußeren Menschen entstanden war, die mir entfernt ähnlich sah. So weit hatte ich es aus eigener Kraft gebracht. Was mir Kopfzerbrechen bereitete, war die Elektrik. Davon hatte ich keine Ahnung.

Am Rande der alten Ladenstraße gab es ein Radiogeschäft, dessen Inhaber auch elektrische Konstruktionsarbeiten ausführte. Ihn wollte ich fragen, ob er die für meine Kopie nötige Verkabelung übernehmen könne. In seinem Laden herrschte eine solche Unordnung, dass ich am liebsten sofort wieder hinausgelaufen wäre. Doch bevor ich mich umdrehen konnte, entlockte mir der Inhaber geschickt mein Anliegen. Er versprach mir sodann wunderbarere Dinge als der berüchtigte Magic Alex einst den Beatles. Weil ich befürchtete, er würde mich sonst nicht gehen lassen, stimmte ich zu und erteilte den Auftrag, meine Kopie aus Holz zu elektrifizieren.

Ich konnte eine freundliche Bekannte überreden, mich mit meiner Holzarbeit in ihrem Pkw zum Laden zu transportieren. Eine Woche später ließ man mich wissen, die Arbeit sei getan. Und tatsächlich fand ich dann alles ausgesprochen zufriedenstellend erledigt. Zudem war der dafür geforderte Preis nicht hoch. Die erste Kopie von mir aus Holz war fertig und funktionierte.

Das spornte mich an, weitere in Angriff zu nehmen. Es gab etliche Versionen, die ins Dasein drängten. Erneut beschaffte ich alles, was ich brauchte, und eine Kopie nach der anderen entstand. Jedes Mal wollte ich die elektrischen Anschlüsse selbst vornehmen, und jedes Mal scheiterte ich. Der Radiotechniker musste mir immer wieder aus der Verlegenheit helfen.

Mit der Zeit wurde ich dafür viel Geld los. Meine enge Wohnung füllte sich mit den Resultaten der zur Obsession gewordenen Liebhaberei. Es gab mich als Männer, Frauen und Kinder sowie in diversen ethnischen Varianten. Ich musste damit aufhören. Doch vorher wollte ich noch ein letztes, überaus anspruchsvolles Projekt realisieren, gewissermaßen mein Meister- oder doch zumindest mein Gesellenstück: Ich als Servierwagen. Konnte es mir wohl gelingen?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Themen #Basteln
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!