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Die WahrheitHorst Kawamba-Pukkapäki y Gutiérrez

Joachim Schulz
Kolumne
von Joachim Schulz

Mann und Frau springen in den Genpool: Doch auch schöne Eltern haben hässliche Kinder. Oder wie war das mit der Kunst?

H otte war unschwer als Spross einer finnischen Mutter und eines Vaters aus Kinshasa zu erkennen. Sein linkes Auge war blau wie ein eisiger Morgen über den Permafrostböden Lapplands, sein rechtes so unergründlich braun wie die Wasser des Kongo. Seine Haut hatte im Gegenlicht die Farbe von durchscheinendem Porzellan, nachts hingegen war sie so schwarz, dass er mit der Umwelt verschmolz und nur das Polarauge in der Dunkelheit strahlte. Daneben hatte er die zackige Nase seines andalusischen Opas, sein rechtes Ohr besaß die Blumenkohlform des friesischen Torfstecherclans, dem seine Oma Aaltje entstammte, und sein linkes Ohr lief spitz zu, dass man in Kenntnis der damals neuen Scifi-Serie „Raumschiff Enterprise“ bizarre Vermutungen anstellen konnte.

Doch weder die Lehrer noch wir machten viel Gewese um Hottes Aussehen und den umwerfenden Mix in seinem Genpool. Das änderte sich erst, als ein neuer Kunstlehrer an die Schule kam. Der Mann hatte zehn Jahre lang als Famulus in Joseph Beuys’ Atelier für Fettnachschub gesorgt und war außer sich, als er Hotte erblickte: „Du verkörperst die Zukunft der Menschheit, du bist reine Kunst“, rief er: „Du wirst berühmt sein und reich, lass mich nur machen!“

Hotte fand die Idee verlockend, große Leinwände mit Krakelmännchen vollzumalen und damit Reichtum und Ruhm einzuheimsen. Zwar wurde nichts aus der Krakelei, da der Beuys-Schüler auf Installationen spezialisiert war und seinem Partner eine eher passive Rolle zugedacht hatte. Und doch war Hotte gerne bereit, die Sommerferien als Bestandteil einer Skulptur aus alten Autoreifen und leeren Sauerkrautbüchsen in der städtischen Kunsthalle zu verbringen. Es war daher hart für ihn, als er nach den Ferien feststellen musste, dass der Künstler sich mit dem Honorar nach Ibiza abgesetzt hatte und der Ruhm sich auf einen hämischen Zeitungsartikel beschränkte, in dem man ihn als vertrauensseligen Erzdussel porträtierte.

Und dann kam Naila

Immerhin lernte er so Naila kennen. Sie war wie er ein Puzzle ihres Stammbaums, sah gleichzeitig aus wie Nofretete, Pippi Langstrumpf und eine Zwillingsschwester von Prinz Charles und war von einem Fotografen um ihren Anteil an einer Kampagne für ein megahippes New Yorker Modelabel behumst worden. „Ab jetzt“, beschloss Hotte, „machen wir selber Kunst: Living Art! Wir werden Kinder zeugen, die noch verrückter aussehen als wir – Krakelmännchen mit karierten Augen!“

Aber auch das ging schief, denn die Gene von Oma Aaltje erwiesen sich als so dominant, dass die Sprösslinge von Naila und Hotte samt und sonders wie blumenkohlohrige Torfstecher aussahen. „Mann, wir wollen doch keine friesische Version der Kelly Family erschaffen“, schnaubte Hotte, ließ seine Pläne endlich fahren und wurde Steuerprüfer beim Finanzamt. Wie ich hörte, mit einem besonderen Faible für die Verfolgung von Künstlern und anderen windigen Existenzen.

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Joachim Schulz
Joachim Schulz wurde 1963 an der Nordseeküste geboren und in Regen, Wind und Nebel großgezogen. Er lebt mittlerweile in einer kleinen Welt in der hessischen Provinz, wo unablässig die großen Fragen des Lebens erörtert werden, und ist seit 1996 im Einsatz für Die Wahrheit.
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