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Die WahrheitMetaphysische Lederhose

Die Verlage Suhrkamp und Insel haben eine höchst ungewöhnliche Rückrufaktion für Werke von Hermann Hesse gestartet.

Seit 90 Jahren im Handel: „Der Steppenwolf“. Sind seine Tage jetzt gezählt? Foto: reuters

So etwas hat es in der deutschen Literaturgeschichte noch nicht gegeben: Die Verlage Suhrkamp und Insel rufen sämtliche Gedichte von Hermann Hesse zurück, weil sie sich als ungenießbar erwiesen haben. „Wir raten dringend von der Lektüre dieser Verse ab“, heißt es in einer Pressemitteilung der Verlage. „Sie kann zu Geschmacksverirrung, Umnebelung, Übelkeit, Schwindelgefühlen und in Einzelfällen zu Gehirnerweichung führen. Besonders stark gefährdet sind hierdurch jugendliche Leserinnen und Leser ohne literarische Vorbildung.“ Der Kaufpreis für die Gedichtbände werde auch ohne Vorlage eines Kassenbons zurückerstattet.

Betroffen sind insgesamt etwas mehr als viertausend Gedichte des produktiven Lyrikers Hesse, der sich immer wieder gern den letzten Dingen widmete und den Anschein zu erwecken versuchte, dass er alle Welträtsel gelöst habe: „Was war mein Leben, wenn es heut soll enden? / Verträumt? Verloren? Nein, es war ein Ring / Von stillen Freuden, die mit vollen Händen / Ich nahm und weitergab und neu empfing. // Es war ein Liebesbund mit dieser Erde, / Die mich mit ihrer Schönheit tief beglückt / Und immer doch mit mächtiger Gebärde / Mein Ziel hinaus ins Ewige gerückt.“

In diesem hohen, den Klassikern Klopstock, Goethe und Schiller abgelauschten Ton trug er zahllose Plattitüden vor – poe­sie­album­reife Reimereien, die bereits in ihrer Entstehungszeit bemoost, verknöchert und von Runzeln überwuchert waren.

Auch an Hölderlin vergriff sich Hesse: „Freund meiner Jugend, zu dir kehr ich voll Dankbarkeit / Manchen Abend zurück, wenn im Fliedergebüsch / Des entschlummerten Gartens / Nur der rauschende Brunnen noch tönt.“

Musenküsse zuhauf

Ein Brunnen im Fliedergebüsch? Wie unpraktisch! Wer bohrte denn mitten in einem Gebüsch einen Brunnen? Hatte Hesse sich da nicht verhört? Aber nein: Er hatte vor sich hin gesponnen, wie es Dichter eben so tun, wenn sie sich von der Muse geküsst fühlen.

In Hesses Fall war der Musenkuss reine Autosuggestion. Merkwürdigerweise erlagen ihr jedoch Millionen Menschen in aller Welt, und nur selten wurde die Qualität der Gedichte in Zweifel gezogen. „Die Lyrik Hermann Hesses ist, gemessen an den Schöpfungen großer deutscher Lyriker des 20. Jahrhunderts, den Schöpfungen von Trakl, Rilke, Loerke, Brecht, Benn, bedeutungslos, ist für Kenner der Literatur indiskutabel, peinlich“, stellte Karlheinz Deschner 1957 fest, und elf Jahre danach witterte die New York Review of Books in Hesses Werken einen „leichten Geruch von metaphysischen Lederhosen“, aber die Auflagen stiegen unaufhaltsam, und der Ruhm des Literaturnobelpreisträgers Hesse wuchs von Jahr zu Jahr.

Suhrkamp und Insel raten von der Verslektüre ab. Sie kann zu Gehirnerweichung führen

Auch Hesses Prosa bald weg?

Umso bemerkenswerter ist nun der Entschluss der Verlage, die Gedichte zurückzurufen und sie einer gründlichen Überarbeitung zu unterziehen, die sicherlich Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird – mit ungewissem Ausgang, denn von der Sub­stanz ist nicht viel zu retten. In der Branche munkelt man sogar, dass demnächst auch Hesses Prosawerke aus dem Handel gezogen werden sollen. Vor allem die Erzählungen „Siddhar­tha“ und „Narziß und Goldmund“ sowie der Roman „Das Glasperlenspiel“ stehen auf einer verlagsinternen Abschussliste, die zurzeit unter Kulturjournalisten die Runde macht.

Begrüßt worden ist die Rückrufaktion vom Verband ehemaliger Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Deutsch-Leistungskursen (VTDLK). Dessen Sprecher Torsten Schneyder hat in einem Interview mit der Zeitschrift Erziehung und Wissenschaft auf den „heilsamen Effekt“ verwiesen, den er sich davon verspreche: „Auch ich bin in der Schule mit Gedichten von Hesse geelendet worden. Wenn sich jetzt die Erkenntnis verbreitet, dass sie alle nichts taugen, dann geschieht das zwar sehr spät, aber vielleicht trägt es ja dazu bei, dass wir auch anderen stark überschätzten Autoren von ihrem Sockel herabhelfen können. Ich denke da vor allem an Christa Wolf, Günter Grass, Herta Müller und Uwe Tellkamp …“

Eine Stellungnahme der in Hesses baden-württembergischer Vaterstadt Calw beheimateten Internationalen Hermann Hesse Gesellschaft liegt zur Stunde noch nicht vor, doch es ist davon auszugehen, dass man dort von der jüngsten Entwicklung nicht sehr erbaut ist. Aus Protest gegen die Verlagsentscheidung hat der Bad Liebenauer Hermann-Hesse-Fanclub Die Steppenwölfe e. V. unterdessen einen unbefristeten Hungerstreik angekündigt.

Und was sagt das Ausland? Aus China, Indien, Großbritannien, Schweden, Äthiopien, Malaysia und den USA ist zu vernehmen, dass man froh über das Ende des Hessekults sei. „Thank God that this farce is over“, schrieb der Romancier Philip Roth jetzt im New Yorker. „The poet Hermann Hesse was a shlub.“ Ein Wort, das sich getrost mit „Trottel“ übersetzen lässt.

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12 Kommentare

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  • paulo coelho irgendwer?

  • Auch ohne Deutsch-LK habe ich in der 9. eine 5 bekommen bei der Arbeit über Hesses "Unterm Rad". Ich charakterisierte den Giebenrath als feige und doof, weil er sich nicht mal traute seinen Vater bei grammatischen Fehler zu korrigieren und andere Sachen.

     

    Jahre später machte ich einen Teil meiner Ausbildung in der Klappse, in der auch Hesse mal war (der als Patient natürlich) und erfreue bis heute viele damit, wenn ich aufgrund solche Werke wie "Unterm Rad" und dem leider freiwillig (aber, Glück im Unglück, nicht zu Ende gelesen) "Narziß und Goldmund" wegen der andauernd wieder auftretenden Ablutschszenen zwischen den männlichen Protagonisten Hesse als "Klemmschwuchtel" bezeichne.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      Bei uns in der Schule damals: no Hesse at all, keine Zeile.

      Erstaunlich. Trotz Deutsch LK.

      Davongekommen.

      (Steppenwolf dann mit 16 in der Ecke im Stammcafé auf den Tisch, in der guten Gewissheit dass es cool war)

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Ok - both - denn mal so!

         

        Demian - irgendwo in der Gondel

        Im Berner Oberland - ;)(

        &

        "Jung - finito - du mußt ausziehen!"

        Dafür - bin ich ihm dankbar!

        &

        "Hesse Between Music " -

        Find ich auch - Klasse! https://m.youtube.com/watch?v=rQiokW-Ob9E

  • @ ;)) - mit Verlaub!

     

    Ja wie? Das mit dem - "unschuldig" -

    Das hab ich getzt nicht verstanden - hm!

    Wer so derart kontaminierte Bück- ja -

    Schmuddelware der untersten Kajüte -

    Also wennersiesalle nicht schon wären!

    Aber dann! Aber si'cher dat Aber Hallo!

    Da dürfte die StA - aber so manchen -

    Anfangsverdacht… - Gell!

    Hegen&Pflegen! - doch doch!

    &

    Mit Exkulpation & so intellellie frech -

    Sauerreien…¿! Nix! Das wird aber eng!

    kurz - Köfferchen schon mal packen!

    "Reise ans Ende der Nacht" - schon mal

    Beilegen. Sicher is sicher! + Lederbüx!

    Ha no. Nö. Dess - kenn'n die nich!

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Das reizt ja jetzt fast, die Insel-Frage zu stellen (auf die ich ad hoc allerdings selber keine Antwort wüsste)

       

      Aber weil Sie's sind - schon im November den Literaturtipp für den Weihnachtsbaum (eigentlich unmöglich, anderen seinen Geschmack aufzudrängen):

       

      Evelyn Waugh,

      The Sword Of Honour Trilogy

       

      Das, wenn Sie englische Sprache in Höchstform und feinen englischen Humor mögen.

       

      Waugh wurde hierzulande bekannt durch 'Wiedersehen mit Brideshead' (Brideshead Revisited).

       

      Nee, links war der nicht, aber ein hochintelligenter Kauz einer aussterbenden Klasse https://en.wikipedia.org/wiki/Evelyn_Waugh

       

      Auch lesenswert: seine Reiseliteratur

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Mist!

    Habe beim letzten Umzug meine Bücher an unschuldige Witwen und Waisen verschenkt

  • ;))

     

    Eh sich andere Verlage beim Verdaschnern -

    Den Wolf - den Günter & die Christa laufen -

    Sei die Liste der Bemühten unter der Grassnabe -

    Um ein weiteres Leichtgewicht -

    Der Flußkießklasse erweitert -

    Erich Fried.

     

    VTDLK-Mitglieder werden auch hier erleichtert

    Aufatmen - Wohingegen allerdings auch hier zu besorgen steht -

    Daß auch solchenfalls die sattsam bekannte -

    Esogründlerente - die angestammten Kiesbetten

    Nicht verlassen & bis zum letzten Kiesel nicht aus den

    Regalen räumen werden.

    Dennoch - Dank im Voraus.

    • @Lowandorder:

      Erich Fried liest man nicht wegen der Sprachgewalt, sondern aus Anerkennung, dass er sich in den Zeiten des deutschen Herbst ordentlich verhalten hat.

       

      Ein paar Sachen von ihm haben neben dem meistens guten Inhalt auch tatsächlich was lyrisches.

      Hat sogar mal MRR anerkannt.

      • @Age Krüger:

        Ja. Stimmt. Hab ihn mal live erlebt -

        In Damenbegleitung & mit Tasche.

         

        Beeindruckend-bewegend sein Vortrag.

        &

        Schätze seineKristalle - seine Perlen etc &

        Ahne - was ihn darüber hinaus trieb!

         

        ps - der Knarzer - peinlich mit Verlaub.