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Die WahrheitMit Oma auf'm Baum

Kolumne
von Gerlis Zillgens

Die Stadt Köln ist nicht gerade für umsichtige und bürgernahe Planung bekannt. Wer daran etwas ändern will, muss hoch hinaus.

E s sind rund dreihundert Bäume. Alter Baumbestand. Noch stehen viele davon auf der Bonner Straße in Köln. Müssen aber alle weg. Weil hier die neue Nord-Süd-Bahn hin soll. Deshalb hatten Bürgerinitiativen ein paar kluge Experten eingeladen, ob die großen, alten Bäume tatsächlich wegmüssen. Die kamen dann zu dem Schluss: Wir könnten eine neue Bahn bauen, die Bäume erhalten und viel billiger wär’s auch noch. Aber in Köln sind wir berühmt wegen des Karnevals und weil et noch immer jot jejange hätt – nicht wegen innovativer Städteplanung. Hier glaubt man felsenfest, die Evolution würde irgendwann einen Hybrid aus Mensch und Auto schaffen.

Die Stadtverwaltung hat sich all die guten Ideen angehört und dann beschlossen, wir machen das genau so, wie unsere Vorfahren das geplant haben. Also geht das Spiel los. Aktivisten kommen und besetzen einen Bagger. Polizisten kommen und wollen, dass Aktivisten den Bagger verlassen. Schaulustige versammeln sich, und es dauert nicht lang, da werden Karnevalslieder gesungen und es wird geschunkelt. Der Kölner an sich nutzt dazu jede Gelegenheit. Wie Jesus schon sagte: „Wo zwei oder drei versammelt sind, da lasst uns ,In unserem Veedel' singen.“

Klaus der Geiger ist nun auch schon auf den Beinen. Auf Klaus ist Verlass! Gott sei Dank ist er nicht nur enthusiastisch, sondern auch unsterblich. Der geigte schon 1985, als Kölner Platanen vorm U-Bahn-Bau gerettet werden sollten.

Die Staatsmacht wird sichtbar ungeduldiger. Ein besonders wichtig aussehender Uniformierter fordert dreimal per Megaphon die Räumung des Baggers. Aus polizeiprotokollarischen Gründen gibt er dabei immer die Uhrzeit an. „Blöd“, sagt Oma Frieda neben mir, „schon Viertel nach zwölf, ich hab gleich ’nen Frisörtermin.“ Der Wichtige ruft ins Megaphon, die Vermummten sollten sich sofort entmummen. Vermummung sei verboten. „Besonders in Köln!“, ruft Oma Frieda.

Die Vermummten ziehen die Schals von ihren Gesichtern und rufen „Alaaf!“. Vom Bagger steigt keiner. Der Wichtige droht dreimal. „Wer nicht freiwillig kommt, den holen wir mit einfacher körperlicher Gewalt, es ist zwölf Uhr dreißig.“ – „Ach, scheiß auf den Frisör!“, sagt Oma Frieda. „Scheiße darf man nicht sagen“, sagt Oma Friedas Enkel. „Du musst auch noch viel lernen“, sagt Oma Frieda.

Ich lerne auch. Einfache körperliche Gewalt bedeutet: Aktivisten trennen, Zwangsjacken überstülpen, runterkurbeln vom Bagger, wegtragen, über den Boden schleifen.

Auf der Bonner stimmt man derweil „We shall overcome“ an. Oma Frieda singt lieber „Macht kaputt, was euch kaputt macht“. Die Staatsgewalt zwingt unter lautstarkem Protestgebuhe die letzte Aktivistin vom Bagger. Aller Augen ruhen auf dieser wackeren Heldin, die sich aus der abgesperrten Zone schleifen lässt. Auf Oma Frieda hat dabei keiner geachtet. Die sitzt nun auf dem Baum, der gleich gefällt werden soll. Der Enkel strahlt. Mit Oma auf’m Baum, das wollt er immer schon mal.

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