Die Wahrheit: Das Vieh an meinem Pimmel
Da zieht man einmal keine Unterhose an und schon verbeißt sich ein Untier im Gemächt. Der Landarzt geht die Angelegenheit eher robust an.
A ls ich gegen Abend vom Badesee aufbrechen will, stelle ich fest, dass ich meine Unterhose in der Gartenhütte vergessen habe. Die Badehose ist nass, also schlüpfe ich blank in die weiten Shorts.
Nachts im Bett ertaste ich dann bei einer zufälligen Kontrolle irgendein Vieh, das sich fest in meinen Pimmel verbissen hat. Im Licht der Stehlampe entpuppt es sich als Zecke. Ihrer Größe nach zu schließen, steckt sie schon eine ganze Weile im Fleisch. Kackomat.
In einer Schublade finde ich eine originalverpackte Zeckenzange von den Vorpächtern unseres Gartens. Nur nichts falsch machen jetzt! War da nicht was mit „im Uhrzeigersinn“ rausdrehen? Oder „gegen den Uhrzeigersinn?“ Das Netz hier draußen ist erbärmlich. Nach einer Viertelstunde hab ich mir trotzdem ein paar Tipps ergoogelt: bloß nicht dies, bloß nicht das, Krankheit, Tod, Verderben – und der Uhrzeigersinn ist egal.
Mit höchster Sorgfalt setze ich die Zange an. Dennoch bekomme ich die Zecke nicht im Stück heraus, sondern nur in Stückchen. Ein kleiner Rest bleibt am Ende stecken. Das soll er nicht. Das ist gar nicht gut, sagt das Internet. Muss raus. Sonst kann ich bald durch eine Holzrohrprothese pissen.
Am nächsten Morgen beim Landarzt. Im Behandlungszimmer befinden sich zwei Verschläge mit Vorhängen. In einen platziert mich die Arzthelferin. Sie fragt nach der Stelle, wo die Zecke sitzt. Ich deute stumm mit dem Finger in Richtung meiner geografischen Körpermitte. Ich habe keine Scheu, das auszusprechen (Pimmel! Pimmel!! Pimmel!!!), aber zur Schonung einer prüden Allgemeinheit vermeide ich prinzipiell jegliche Erwähnung von Geschlechtsorganen. Dabei sind wir doch alle erwachsene Menschen mit Mumus und Pipimännern.
„Dann mache ich den Vorhang besser gründlich zu“, entscheidet die Dame klug, denn die Tür zum Behandlungsraum steht die meiste Zeit über offen. Der Landarzt kommt. Er zuckt nicht mit der Wimper. In Vollmondnächten aalt sich hier die gesamte Landbevölkerung nackt im Gras am Thing-Platz; da kann er an den Folgetagen die Blutsauger im Akkord von Stengel und Ritzenrand pflücken.
Er wühlt eine Pinzette aus einem Haufen und macht sich fix an die Arbeit. Also nicht, dass er irgendwas desinfiziert hätte oder so; ich bin ja nicht der König. „Ich kann da nicht ewig rumstochern“, beginnt er, „Sie werden gleich sehen, warum: Weil das sehr stark blutet.“
Klar. Natürlich blutet das stark. Ist ja, hallo, der Pimmel. Bei allem, was der so kann, ist da eine Menge Blut unterwegs. Und trotzdem oberflächlich auch viel Haut. So dass es eigentlich kaum wehtut, obwohl nach der dritten Pinzette schließlich eine Nadel zum Einsatz kommt.
In perfekter Teamarbeit halten wir gemeinsam das Teil so, dass er besser hinkommt, während er mit der anderen Hand stochert. Man erlebt immer so viele alltägliche Situationen, dass eine etwas weniger alltägliche zur Abwechslung auch mal ganz erfrischend wirkt. Denke ich. Und schon ist der Rest der Zecke draußen.
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