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Die WahrheitAn der leckeren Nordseeküste

Heiko Werning
Kolumne
von Heiko Werning

Unterwegs am Strand in Holland kann man eigentlich nur zwei Dinge tun: Frikandel essen und angeschwemmte Wale bestaunen.

A n der holländischen Küste kann man jederzeit zwei bezaubernde Sachen machen: Muscheln suchen und Frikandel speciaal essen, diese merkwürdig wurstförmigen Bouletten in gewöhnungsbedürftiger Konsistenz aus mysteriösen Zutaten. Aber lecker!

Direkt nach der Ankunft geht es an den Strand. Ich habe früher als Kind immer gern Muscheln gesucht. Meine Söhne sind allerdings skeptisch: „Muscheln sind öde. Gibt’s hier nichts Spannendes? Wale oder so?“ Das Jagdfieber packt sie dann doch, wir laufen Kilometer über den Strand. Gerade als es tatsächlich allmählich langweilig zu werden droht, sehen wir in einigem Abstand etwas erstaunlich Großes. So einen Meter lang. Die Kinder laufen aufgeregt zu dem ziemlich zermatscht wirkenden Objekt. Eine Schwanzflosse ist zu erkennen. Und ein Kopf.

„Ein großer Fisch!“, rufen die Kinder. „Nein“, sage ich, „ein Wal.“ – „O nein! Lebt der noch?“ Ich verweise auf die Eingeweide, die aus dem Klumpen quellen. Betroffen stehen wir um den verunfallten Meeressäuger herum. Eindeutig ein Schweinswal. Die Kinder sind erschüttert. „Papa, wie furchtbar!“, jammern sie. Da entsinne ich mich meiner pädagogischen Pflichten und erkläre: „Na, ihr wolltet doch unbedingt Wale finden, weil euch Muscheln nicht gut genug waren!“ Sie starren mich entsetzt an.

Da fällt mir ein, dass Meeressäuger Sonderrechte haben in der Strandguthierarchie. Muscheln kann man einsammeln, wie man will, mit Quallen kann man sich bewerfen, aber Wale muss man den Behörden melden. Für die Wissenschaft. Ich zücke mein Handy. Uns wird versprochen, dass gleich ein Wagen kommt. Nun sind die Kinder in heller Aufregung. Wale, die von echten Wissenschaftlern abgeholt werden! Forscher, die messen, wiegen und fotografieren. Die herausfinden werden, welche Tragödie sich hier abgespielt hat. Was für ein Abenteuer! Also warten wir.

Tatsächlich kommt nach einer Dreiviertelstunde ein auffälliger Wagen über den Strand getuckert. Die Kinder jubeln. Ich allerdings bin ein wenig irritiert. Denn an seiner Seite steht in großen Buchstaben das Wort „Afval“. Mein Holländisch ist nicht sehr gut, aber mich beschleicht ein böser Verdacht, der sich bei näherer Betrachtung erhärtet: ein Müllauto.

„Da sind die Wissenschaftler!“, jubeln die Kinder. Ich halte lieber die Klappe. Am toten Wal angekommen, lösen die Männer eine große Mülltonne vom Wagen und werfen die Walteile eher lieblos hinein. Die Kinder sind verunsichert. „Papa, untersuchen die den Wal nicht?“ – „Äh, das machen die im Labor“, beschwichtige ich. Plotsch! Schon verschwindet das letzte Stück in der Tonne, die dann ins Innere des Wagens entleert wird. Es macht ein hässliches Geräusch. Wird das direkt geschreddert? Oder wird hier Frikandel speciaal gemacht?

„Wird der Wal später begraben?“, fragen die Kinder. „Selbstverständlich!“, sage ich. Das Müllauto rumpelt Richtung Dünenübergang. Jetzt gehen wir schön Frikandel speciaal essen. Dann ist das Tagwerk vollbracht.

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Heiko Werning
Autor
Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).
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3 Kommentare

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  • 3G
    39756 (Profil gelöscht)

    wie- Mit Kindern kann man doch prima Plastikverschlüsse sammeln am Strand. Die gibts in grosser Vielfalt ( wo früher die Muscheln lagen) die kann man dann nach Sprache der Bedruckung ordnen oder nach Farbe und in ein Album einschrauben; und mit Glück werden auch bald die ersten Fässer mit dem Radioaktiven Müll angeschwemmt aus den 60ern. Das ist doch auch viel moderner als die ollen Muscheln, wie Deine Kinder ja schon gesagt haben.........

    • @39756 (Profil gelöscht):

      Gemach. Gemach.

       

      Unser Mann - wie finster -

      Gebürtig ja aus Münster

      Das sann so ganz ausgewiesne Checker

      Frikandel special drum sanswas lecker!

      Nee. Tut. Son Pädges - Ostwestfalen

      Bei Plastik. Nurmit den Zähnenmahlen.

       

      Lamberti-Käfige - Ha die san solide!!

      Handgefertigt Eisen & Vom Schmiede!

      Nur gedacht & 's werrn verzeihn -

      Leer. Da paßtdochwieder glattwas rein!

      Nein Nein. Muß ich glatt was kichern -

      Ja wie? Plastik statt Mupfel? -

      Dess ist nur sorar Gedankelhupfel!

      Nah. Ah geh. Tät nur Ver Un Sichern.

  • Danke. Schön - daß es noch Familienansammlungen

    Gibt - in denen die Kunst des Streechens Sohlens usw usf

    Hochgehalten - ja kackfrech praktiziert wird!

    Das Kinderalter wird nicht mitgeteilt - Mahne aber -

    Doch Doch. Dorten pädagogischen Ehrgeiz an!

    Auf der Kidsseite ist noch deutlich Luft nach oben! &

     

    Nederlands ist da wie u.a. Maarten 't Hart meisterhaft zeigt -

    Ein wahres Eldorado de pädagogik - wie der -

    Hohe Norden auch - Wo Sätze wie "All lögenhaft to vertellen -

    Ever liggers doch wohr!" vel "Wenn juch dat nich chlöft -

    Lüch ik juch nix wedder vör!" Hoch ja gar höher gehalten werden!

     

    Lernbegierige Kinder seien aber gewarnt -

    "Flögen Fish?! Nu is ever nauch mit de Lögeng'schichten!" &

    Batz! Langs Muul. Kriegte der seebefahrene Moses nach erster Fahrt

    Von seinen Landratten Altvorderen!

    Als endlich mal - klar der Wahrheit die Ehre!

    Fliegende Fische¿?¡! - Mach Bosse!;)

    Auch wieder wahr!

    Da mähtste nix.

    Normal.