Die Wahrheit: Wählen im Pyjama
Theresa May will ein Eilgesetz ins britische Parlament einbringen: Auch im Wahllokal sollte für die Kleidung eine gewisse Etikette gelten
A lle Jahre wieder werden die Briten an die Wahlurne gebeten – und manchmal auch mehrmals. In diesem Jahr gab es bereits Wahlen zum nordirischen Regionalparlament, im Mai stehen Kommunalwahlen in verschiedenen Regionen an, und vorigen Mittwoch hat das Unterhaus als vorläufigen Höhepunkt allgemeine Parlamentswahlen für den 8. Juni anberaumt.
Dadurch besteht die Gefahr, dass Wahlen ähnlich wie die samstägliche Autowäsche oder das monatliche Wannenbad zur routinemäßigen Angelegenheit werden. Um die Würde des demokratischen Akts zu wahren, will Premierministerin Theresa May ein Eilgesetz im Unterhaus einbringen, das die Kleiderordnung bei der Wahl betrifft. Demnach soll Menschen, die im Pyjama im Wahllokal erscheinen, die Wahlberechtigung entzogen werden.
Als Koordinatorin schlug May die Grundschuldirektorin Kate Chisholm aus dem nordenglischen Darlington vor. Sie hat Erfahrung auf diesem Gebiet. Voriges Jahr hatte sie Schlagzeilen gemacht, weil sie die Eltern in einem Brief gebeten hatte, nicht mehr Schlafanzug und Pantoffeln zu tragen, wenn sie ihre Kinder zur Schule bringen.
Viele Eltern reagierten erbost. Sie beschimpften Chisholm als „überbezahlte Prostituierte“ und „gescheitertes fettes Supermodel“. Manche erschienen daraufhin nicht nur in Pyjamas, sondern schickten auch ihre Kinder im Schlafanzug zur Schule. Andere Eltern blieben aus Protest wochenlang im Bett. Es waren vermutlich dieselben Eltern, die ihren Kindern auf dem Schulhof heimlich Hamburger und Limonade zugesteckt haben, nachdem der Sternekoch Jamie Oliver versucht hatte, die Schulmahlzeiten genießbarer zu machen.
Die Vorliebe für Nachtgewänder ist übrigens keineswegs auf Nordengland beschränkt. Auf Twitter tobt seit mehr als einem Jahr eine heftige Diskussion über das Thema. Früher war London als Modehauptstadt berühmt. Heutzutage „laufen wir im schlampigen Freizeitlook herum und schlürfen Cola aus Zweiliterflaschen“, meint der Galerist und Kolumnist Alex Proud. „Italiener und Franzosen lachen über uns.“
Die Briten seien übergewichtig und werden den Amerikanern immer ähnlicher: „Der einzige Unterschied ist, dass man in einem Einkaufszentrum in den USA mehr Bewaffnete und weniger Besoffene antrifft“, schreibt Proud. Und weniger Männer in Fußballtrikots. Diese Klotzköpfe sehen aus, als ob sie sich einen bunten Plastiksack übergestreift hätten. Das scheint billig, ist es aber nicht. Für solch ein synthetisches Ungetüm muss man locker bis zu 70 Euro hinblättern.
Theresa May will ihr Anti-Schlafanzug-Gesetz noch vor den Wahlen im Juni vom Parlament verabschieden lassen. Eine interne Tory-Studie hat ergeben, so ist durchgesickert, dass vor allem Labour-Wähler gern Pyjamas tragen, wenn sie ihre Kinder zur Schule bringen, weil sie dann morgens Zeit für einen Joint vor dem Frühstück haben. Entzieht man ihnen das Wahlrecht, kann die gesamte Labour Party die nächsten fünf Jahre im Bett bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert