Die Wahrheit: Neues aus dem Celler Loch
Die vernachlässigte Perle im Heidesand feiert sich selbst mit einem Hackschnitzelweitwurfweltrekord und jeder Menge Remmidemmi.
M eine Heideprovinz glänzt gerade durch sengenden Sonnenschein und klingende Kirschbäume. Dumme Hummeln brummeln sich durch Blütentüten. Es ist fantastisch! Nur reicht es uns mal wieder nicht.
Celle, diese vernachlässigte Perle im Heidesand, machte ja schon in der Vergangenheit mit ehrgeizigen Projekten wie dem Celler Loch oder der Überdachung des barocken Schlosshofs von sich reden. Letztere scheiterte erfreulicherweise am Geldmangel, Ersteres schaffte es in die Geschichtsbücher, wenn auch nur in die Abteilung „Verfassungsschutz & Idiotie“.
Immerhin kann man das Celler Loch neuerdings auf dem Parkplatz der Justizvollzugsanstalt besichtigen, als in Edelstahl gefasstes Mauerstück. Vielleicht gibt es ja auch kleine Nachbildungen für den Kaminsims im Geschenk-Shop des Gefängnisses. Die Hinter-Gitter-Produktion ist sonst eher für gigantische Grillgeräte bekannt, die der Heidjer gern kauft, um darauf Unmengen von spermatös spritzenden Käsewürstchen in einen unappetitlich runzeligen Zustand zu versetzen.
Alle fünf Jahre versucht Celle zur Steigerung der eigenen Bedeutsamkeit eine Universität zu gründen, um dann festzustellen, dass das erstens niemanden interessiert und es zweitens Geld kosten würde, das keine Institution investieren möchte. Trotz unserer tollen Hengstparade! Bei der übrigens, Gewährsleute haben es mir versichert, noch mit allen Besuchern gemeinsam das Niedersachsenlied angestimmt wird. Jaja, und jetzt alle: „Wo versank die welsche Brut?“ Wahrscheinlich in der Aller, auf der Suche nach der nächsten Universitätsstadt.
Nun wird Celle 725 Jahre alt. Mein wunderbares Dorf in der Nähe der Residenzstadt ist übrigens älter, macht davon aber weitaus weniger Getöse. Das Stadtjubiläum wird an Pfingsten begangen, mit jeder Menge Remmidemmi, Bierwagen und Kulturgetue. Unter anderem möchte Celle zu diesem Anlass mit der längsten Sandsack-Wurfkette der Welt und aller Zeiten ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen werden.
Wie verzweifelt kann man sein? Sponsoren dürfen Säcke kaufen und mit ihrem Logo bedrucken lassen. Oder mit dem Niedersachsenlied. Im Kleingedruckten wird schließlich noch darauf hingewiesen, dass die Wurfgeschosse nur mit Hackschnitzeln befüllt werden sollen. Ob der Rekord im Hackschnitzelwerfen überhaupt Guinness-Buch-fähig ist?
In einer anderen Disziplin haben wir inzwischen Anschluss an das Weltniveau gefunden: Kleinkriminalität. Dass mir tatsächlich im Celler Bahnhof, in einer unglaublich großen und unübersichtlichen Menschenansammlung von etwa drei Personen das Portemonnaie aus der Umhängetasche gestohlen wurde – das fasse ich immer noch nicht. Andere Menschen müssen dafür in Brasiliens Favelas reisen. Ich schaffe es vor der Haustür. Die nächste Geldbörse lasse ich mit meinem Logo bedrucken und gebe sie dann gleich selbst an eine Menschenkette in der Celler Altstadt ab. Sturmfest und verwachsen, wie ich nun mal bin.
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